„Kurz und knapp“ ist eine Interviewserie des Berliner Fotografen Jens Wazel

Kurz und knapp… wer bist Du?

Ich bin Teehändler und habe ein kleines Teehaus und einen Teeimport. 

Oliver Seifert

Wann hat das angefangen mit dem Tee?

Tee gehörte in meiner Familie immer dazu: es gab zum Frühstück Tee, es gab zum Abendessen Tee, es gab eigentlich immer Tee. Als ich 13 oder 14 war, haben meine Freunde bei mir Tee getrunken und meinten, dass er besonders gut schmeckt. Das war ganz normaler schwarzer Tee aus Russland – Grusinische Mischung – mit das preiswerteste, was es gab, aber die Zubereitung war scheinbar entscheidend.

Nach der Wende warst Du Buchhändler?

Ich hatte drei Buchhandlungen, die erste war die ursprünglich von Lucie Groszer gegründete Altberliner Bücherstube, und einen Verlag und ein Antiquariat. Ich hatte auch da schon die Idee, das mit einem Teehaus zu verbinden, was die Räumlichkeiten damals aber nicht hergaben. Als ich die Buchhandlungen dann später abgeben musste, habe ich gedacht: jetzt möchte ich wissen, wo Tee wirklich herkommt, wie er gemacht wird, was das eigentlich bedeutet “Tee”. 

Und dann?

Ich habe in Japan und Taiwan jeweils für 3 Monate Teeausbildungen gemacht. 2009 habe ich mit dem Großhandel begonnen. Dann kam ein Onlineshop dazu, und 2018 der Laden mit dem Teehaus.

Mit dem Namen „make tea not war“…

Es war mir ein Bedürfnis das auszudrücken, was auch meine innere Überzeugung ist. Ich bin schon seit meiner Jugend für Frieden und Ausgleich. Und ich glaube daran, dass so gut wie jeder Konflikt verbal gelöst werden kann, und es besser ist, bei einer Tasse Tee zusammenzusitzen und zu reden. 

Tee als Lösung für den Weltfrieden?

Natürlich rettet Teetrinken nicht die Welt, aber es kann ein Beitrag dazu sein. Ich glaube, den menschlichen Egoismus kann man nicht beseitigen, der wird immer da sein, und Konflikte wird es auch immer geben. Aber es reicht ja vielleicht, wenn nur ein paar Prozent der Leute auf den Weg gebracht werden, nicht gleich die Fäuste zu heben, sondern miteinander zu reden und Konflikte konstruktiv zu lösen.

Machst Du Teezeremonien?

Ich finde die traditionelle Art, zeremoniell mit Tee umzugehen super. Aber ich bin auch Europäer und möchte nicht irgendetwas imitieren, womit ich nicht aufgewachsen bin. Mein japanischer Teemeister hat einmal gesagt: „Ich zeige Dir alles, was ich weiß, aber Du musst Deinen eigenen Weg finden.“ Das gibt mir die Freiheit aus dem, was ich gelernt habe, etwas Eigenes zu entwickeln. Ich mache also keine Originalzeremonien, sondern nehme Elemente daraus und versuche sie hier im Teehaus zu zeigen. 

Zum Beispiel?

Zunächst natürlich, dass man den Tee betrachtet, ihn sensorisch wahrnimmt, auf die Wasserqualität und auf die Wassertemperatur achtet und nur genau so viel aufbrüht, wie man trinkt. Und natürlich auch ein bestimmtes Teegeschirr benutzt wird. 

Aber vor allen Dingen, dass man sich Zeit nimmt. Manchmal kommen Leute ins Teehaus und sagen “Ich habe gleich einen Termin, eine Tasse Tee bitte”, und dann sag ich “Es tut mir leid, das geht hier nicht”.

Das Teehaus als Refugium im Alltag?

Ja, es wäre schön, wenn es so gesehen würde. Es gibt Nachbarn, die regelmäßig kommen, manche alle zwei Tage oder täglich. Und andere, die ab und zu vorbeikommen, Tee trinken oder quatschen oder Tee kaufen. Ich wohne auch hier in der Nähe und bin drei Viertel des Tages im Laden, man kennt sich.

Es gibt auch wieder Bücher…

Das sind meine eigenen. Ich wollte eine gemütliche Atmosphäre schaffen, dass man sich vielleicht ein bisschen wie zu Hause fühlt, sich hinsetzen kann, Tee trinken und lesen. 

Wie ging es Dir mit Corona?

Anfang 2020 ging es aufwärts mit dem Teeladen, er wurde bekannter, und plötzlich sackte es ab. Es waren drei oder vier Monate, wo ich dachte: Oh Gott, was passiert jetzt? Aber dann wurden die Online-Bestellungen mehr und der Großhandel hat weiter funktioniert. Und da der Teeladen als Lebensmittelhandel gilt, war er auch immer offen, nur das Teehaus war geschlossen. Aber ja, es war natürlich ein ganz schöner Einschnitt.

Woher beziehst Du Deine Tees?

Ich importiere direkt von Produzenten in Taiwan und Japan, die ich persönlich kenne. Vor Corona bin ich ein, zweimal im Jahr hingeflogen, weil es mir sehr wichtig ist, dass es einen freundschaftlichen und engen Kontakt gibt. Ich kaufe allerdings auch im Großhandel Tee dazu, weil man als Kiezladen auch schwarzen Tee und einen Kräutertee braucht. Ich konzentriere mich auf die Tees, die ich qualitativ für ansprechend halte und die ich gut vertreten kann.

Was gibt es eigentlich für Tees?

Die großen Kategorien sind grüner Tee, der nicht oxidiert ist, schwarzer Tee, der sehr stark oxidiert ist, und dann einfach gesagt dazwischen: Oolong, weißer Tee, gelber Tee, roter Tee. Und dann gibt es noch Kräutertees, die ja eigentlich kein Tee sind. 

Warum?

Alle eigentlichen Tees kommen von der gleichen Urpflanze – Camellia sinensis – und die Kräutertees, die wir eher Infusionen oder Kräutermischungen nennen, kommen nicht vom Teebaum.

Wo kommt Tee ursprünglich her?

Der Ursprung des Tees liegt in China, in der Provinz Yunnan. Die Teepflanzen sind dann vor vielleicht 800 Jahren durch Mönche nach Japan gekommen und dienten vorerst als Mittel, um beim Abschreiben der religiösen Texte und beim Meditieren wach zu bleiben. Nach Europa kam der Tee vor ca. 400 Jahren durch die Niederländer der Ostindien-Kompanie, vermutlich über die portugiesisch besetzte Insel Java. Im Laufe seiner frühen Geschichte spielten sich einige dramatische Szenen ab, Tee war damals richtig wertvoll.

Ist er das heute auch noch?

Wenn ich früher Tee kaufen gegangen bin und 10 Mark für 100 Gramm Darjeeling bezahlt habe, fand ich das teuer, weil er im Vergleich dazu im Supermarkt natürlich viel günstiger ist. Aber als ich dann in Japan war und selbst Tee gemacht habe, ist mir bewusst geworden, wie komplex und kompliziert es ist, guten Tee herzustellen.

Du beginnst Deinen Tag mit Tee?

Ich nehme mir ungefähr eine Dreiviertelstunde morgens nur für meinen Tee. Ich mache den Tee in einer kleinen Kanne, so dass genau ein Aufguss in eine Tasse passt, und dann kommt noch der zweite oder dritte Aufguss. Jeder Aufguss schmeckt anders und ich konzentriere mich auf den Tee und auf das, was ich tue, was man ja sowieso viel öfter machen sollte: bewusst Dinge tun und nicht beiläufig und oberflächlich. Ich möchte damit meine Seele schon morgens begrüßen und langsam und ruhig in den Tag schicken. Ich merke, dass mein Tag dann wirklich anders verläuft.

Andere Leute meditieren…

Genau. Viele sagen mir, dass sie Zeit zum Meditieren brauchen und fahren dann ins Kloster. Ich finde, dass eigentlich jeder Tag eine Meditation sein kann. Das Leben ist Meditation, wenn man möchte. Und warum soll ich ein hektisches Leben führen und mir dann zwei Wochen Auszeit gönnen? Ich glaube nicht, dass die mich retten. Ich glaube, dass jeder Tag mich rettet.

Ist Tee deine Berufung?

Berufung würde ich nicht sagen. Ich habe eigentlich noch nie etwas gearbeitet, was ich ungern gemacht habe, alle meine Tätigkeiten haben mir immer Spaß gemacht. Ich habe auch immer mit Menschen zusammengearbeitet und der Laden gibt mir die Chance, Kontakt zu haben, zu reden und mich auszutauschen. Alle Tee-Menschen haben so einen Spirit, den ich mag: friedvoll, ruhig und offen im Geist. Der Teehandel bedeutet auch Reisen, was ich auch gerne mache. 

Es ist wirklich eine Leidenschaft, die mit der Arbeit zusammenfällt. Ich könnte mir nicht vorstellen zu sagen: ich gehe zur Arbeit und zum Glück habe ich jetzt Feierabend. Für mich ist es so, dass ich von morgens bis abends eigentlich immer arbeite und trotzdem auch frei habe. Also ich habe die Freiheit, das zu machen, was ich gerne mache. 

Vielen Dank!

ⓒ Fotos: Jens Wazel

Oliver Seifert

… ist Teehändler und betreibt einen Teeimport und ein Teehaus im Prenzlauer Berg.

www.kos-tea-shop.com

Jens Wazel

… ist Fotograf und Videofilmer und trinkt gerne Tee bei Oliver.

www.jenswazelphotography.com