Die gesungene Kolumne

© Foto: Pavol Putnoki

Am 20. Juni 2011 starb Peter Alexander. In Wien selbstverständlich.

Wie schrieb schon Georg Kreisler: „Der Tod, das muss ein Wiener sein“ und behielt als Ex-Wiener seinen US-Pass. Sicherheitshalber. Nach allem, was er ab 1938 durchgemacht hatte. Starb aber dennoch in Salzburg. An einem eiskalten Novembertag.

Bei Elvis Presley entschied sich der Tod lieber für den Sommermonat August; eine eher amerikanische Lösung. Davon ausgehend, dass Ihnen Presleys ARE YOU LONESOME TONIGHT genauso vertraut ist wie Alexanders deutsche Version BIST DU EINSAM HEUT‘ NACHT, stimmen Sie sich nun in meiner gesungenen Kolumne folgendermaßen ein:

Ein Song | zwei Sänger

Bist du einsam heut‘ Nacht,
nimm doch Leinsam‘n heut‘ Nacht.

Das tut gut deinem Bauch.
Dem Kopf auch.
Deine Meinung, nach BILD,
bist du nicht mehr gewillt,
dir zu bilden,
wie‘n Würstchen, das chillt.

Du kriegst Angst auf der Demo,
marschierst nur per Tiwi.
Findest nicht mal mehr Nemo,
Disneys Channel? Perdu.

Sind die Schatten schon da
von alldem, was man sah …,
macht das einsam.

Drum nimm Leinsam‘n heut Nacht.“

Wenn ich hier mal kurz meinen Subtext für eine Originalzeile aus der Peter Alexander-Fassung unterbrechen darf. Da heißt es im Prosateil:

„Irgendjemand hat einmal gesagt: Die Welt ist eine Bühne und wir müssen alle unsere Rollen spielen.“

Nun ja. Man soll Toten nichts Schlechtes nachsagen. Schlechten Schlagertextern aber schon. Alexanders „irgendjemand“ war ja nicht irgendwer; vielmehr ein verhunztes William-Shakespeare-Zitat. Zu dumm.

Weiter mit der Subversion, die nicht Williams Birne, sondern nur der Weltlage geschuldet ist. Nehmen Sie also jetzt den musikalischen Mittelteil besagten Liedes eher als Resultat a-sozialen Medienkonsums in Zeiten des Hasses:

Mittelteil

Du kiekst Killer im Black Dress live,
all dressed to kill –
dank der Action Cam GO PRO –
Zwar ein NO GO dein Thrill,

doch fällt der Strom plötzlich aus –
kein Internet. Aus die Maus!

Das macht einsam.
Komm, nimm Leinsam’n heut Nacht.

(Hier endet der Gesang)

Killer und Geiselnehmer zu Freiheitskämpfern zu stilisieren, weil uns die Bilder von Tod und Verwüstung im Gaza erschüttern, ist nicht richtig. Und wichtig! Empört euch! Gegen jede Art von Joch! Dennoch, um es mal mit Wolfgang Neuss zu sagen:

„Alle mal herhören! Auch die, die schwer hören!“
„Wollt ihr Helden euch meißeln
und dabei vergaßt
ihr die jüdischen Geiseln,
heißt das: doppelt vergast!
Sind NS-Schatten nah,
die man gestern nicht sah,
reist die Freiheit sogleich
heim ins Reich.

Und beim Pogrom, kurz nach acht,
nimmste Leinsam‘ zur Nacht.

Und am Tag wird
wie nebenbei –
ein Zimmer frei.“


ARE YOU LONESOME TONIGHT auf YouTube:
https://youtu.be/9XVdtX7uSnk?si=QUxylDZnepn_T3Qm

BIST DU EINSAM HEUT NACHT auf YouTube:
https://youtu.be/IYC_C653AXE?si=HDhN3ZabBV8Jp6nw

In der Kolumne der aktuellen Ausgabe ist uns ein Fehler unterlaufen, den wir in der Onlineausgabe bereits korrigiert haben. In der Printausgabe können wir das leider nicht mehr. Selbstverständlich gehört in diesen Satz das Wort „nicht“:
“Killer und Geiselnehmer zu Freiheitskämpfern zu stilisieren, weil uns die Bilder von Tod und Verwüstung im Gaza erschüttern, ist nicht richtig. Und wichtig: Empört euch!“
Das fehlende Wort vermittelt einen Kontext, der weder der Intention des Artikels entspricht noch die Meinung der Redaktion und des Autors abbildet. Wir bitten um Entschuldigung.

Infobox

Ilja Richter

Seit dem 9. Lebensjahr berufstätig:

1961: Renaissance-Theater Berlin
1969: Deutschlands jüngster TV-Showman
Von 1971 bis 82: DISCO SHOW
Seit 1981 bis heute als Schauspieler/ Autor/Chansonnier tätig

www.iljarichter.de/page/termine