Verantwortung, Mut und Engagement

Der ehemalige Fußballprofi Arne Friedrich hat sich nach dem Ende seiner Sportlerkarriere neu gefunden – als Stifter und vielseitig interessierter Mensch mit gesellschaftlichem Verantwortungsgefühl. Sein Engagement offenbart nicht nur einen reflektierten, neugierigen Menschen, sondern auch einen Visionär, der mit Herz und Beharrlichkeit daran arbeitet, die Welt ein Stück besser zu machen. Mit der Arne-Friedrich-Stiftung zeigt er, wie Engagement und Mitgefühl die Gesellschaft bereichern können – und wie jeder von uns Teil dieser Veränderung sein kann.

Text: Silke Schuster

Arne Friedrich ist vielen als Fußballprofi bekannt, doch der ehemalige Verteidiger hat sich längst von seiner Fußballkarriere gelöst und steckt seine Energie in andere Projekte. Ein Herzensprojekt ist seine 2015 gegründete Arne-Friedrich-Stiftung, die sich der Gesundheit und Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen verschreibt. Mit der Stiftung verfolgt er das Ziel, Inklusion voranzubringen und junge Menschen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen. „Ich bin dankbar für die Chancen, die ich im Leben hatte. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben“, fasst er seine Motivation zusammen.

Vom Fußballprofi zum gesellschaftlich engagierten Menschen

Seine Profikarriere begann im Alter von 21 Jahren. Aber eigentlich habe er nie gewusst, was er werden will. In der Schule gehörte er zum Durchschnitt. Aus heutiger Perspektive sieht er das alles anders: „Wenn ich heute noch mal in der Schule sitzen würde, wäre ich ein anderer Schüler. Weil ich heute das Lernen als ein Privileg sehe. Ich hatte früher zum Beispiel Französisch, aber ich kann kein Wort Französisch, weil ich mich nicht dafür interessiert habe. Heute spreche ich Spanisch, weil ich es lernen will. Und wenn man etwas möchte, dann lernt man es auch und entwickelt sich.“

2006 die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land, bei der Deutschland den dritten Platz belegte, und die Weltmeisterschaft 2010, die Friedrich als „sein bestes Turnier“ beschreibt, das gleichzeitig sein persönlicher Abschluss war – Höhepunkte einer Karriere, die im Gedächtnis bleiben. Doch heute „interessiert mich Fußball kaum noch“, gibt er offen zu. Schon während seiner Fußballerlaufbahn begann er, sich für andere Themen zu begeistern: „Es war mir immer wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Nach meinem Karriereende habe ich viele neue Interessen entdeckt.“

Arne Friedrichs im Interview

In ihm schlummerte schon lange das Ziel, Menschen zu helfen. Dieser Wunsch trat 2005 ganz deutlich zutage, als er im Grunde alles hatte: eine glückliche Beziehung, die Kapitänsbinde bei Hertha BSC, einen Stammplatz in der Nationalmannschaft und Erfolg – und ihm trotzdem etwas fehlte. „Da war ein Gefühl von so einem Missing Piece in mir“, blickt er zurück. Ein Besuch auf der kinderkardiologischen Intensivstation des Deutschen Herzzentrums in Berlin setzte einen Reflexionsprozess in Gang, der die Wende und letztlich auch den Anstoß zur Gründung der Stiftung brachte. Bei seinem Besuch wurde ihm nämlich bewusst, wie privilegiert er selbst durch seine Gesundheit und seinen Erfolg ist. „Ich ging für zwei Stunden ins Krankenhaus, sprach mit den Kindern und Eltern und trank danach entspannt einen Kaffee, während diese Menschen monate- oder jahrelang in dieser Realität leben müssen. Das hat mich echt zum Nachdenken gebracht.“ Aus dieser Erfahrung nahm die Idee Gestalt an, eine Stiftung zu gründen, die langfristig und nachhaltig hilft. Für Arne Friedrich war klar: „Das Geld, das ich während meiner Karriere zur Seite gelegt habe, soll in etwas fließen, das über mein Leben hinaus Bestand hat.“

Die Mission der Arne-Friedrich-Stiftung

Die Stiftungsarbeit beruht auf drei thematischen Hauptsäulen: Bildung und Vielfalt, Mut, Gesundheit. Das interkulturelle Bildungsprogramm Vielfalt gewinnt! führt an sechs Berliner Ganztagschulen etwa 150 Kinder aus geflüchteten Familien und Kinder aus sozial-, finanziell- und bildungsbenachteiligten Familien zusammen. In den sogenannten Wir-AGs lernen sie gemeinsam und auf Augenhöhe. Das Projekt läuft mittlerweile auch an einer Schule in seiner Heimatstadt Bad Oeynhausen. „Wir möchten Kindern und Jugendlichen Begegnungsspielräume für neue Perspektiven schaffen, unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund. Das gemeinsame Lernen und Erleben lässt Unterschiede verschwinden“, so Arne Friedrich. „Und wir möchten den Lehrerinnen und Lehrern, die eh schon am Limit sind, durch externe Dozenten und Sozialpädagogen helfen, indem diese an die Schulen gehen und Programme mit entwickeln.“

Für dieses Integrations- und Bildungsprogramm, das die Arne-Friedrich-Stiftung zusammen mit der Bürgerstiftung Berlin ausrichtet, wurden sie erst kürzlich von der Initiative Hauptstadt Berlin ausgezeichnet.

Ein weiterer Fokus der Stiftung liegt auf der Kinderhospizarbeit mit dem Haus Leo, dessen Schirmherr Arne Friedrich ist. „Kinderhospizarbeit liegt mir besonders am Herzen, weil sie Kindern und Familien in den schwersten Zeiten Hoffnung gibt“, erklärt er. Neben finanzieller Hilfe – etwa für behindertengerechte Einrichtungen oder Geschwisterreisen – engagiert er sich persönlich und betont, wie wichtig es ist, den betroffenen Familien das Gefühl zu geben, gesehen und unterstützt zu werden. Seine Arbeit mit Betroffenen führt ihm immer wieder vor Augen, wie separiert sich diese Menschen von der Gesellschaft fühlen. Neben der Krankheit ist die gesellschaftliche Isolation das größte Problem für sie, keine Freunde und kein soziales Umfeld zu haben. „Es sind oftmals alleinerziehende Mütter“, erzählt er aus seiner Erfahrung, „das heißt, da sind die Kinder und Jugendlichen allein mit ihrer Mutter oder eventuell mit einem Geschwisterkind. Ansonsten haben sie niemanden.“ Da möchten wir helfen und haben eine Aktion gestartet. Ein bewegendes Beispiel ist die Geschichte von Luca, einem jungen Mann mit einer terminalen Krankheit, den die Stiftung ermutigte, seine Geschichte zu erzählen. „Es war unglaublich, wie er vor 50 Leuten gesprochen hat und sich dadurch gesehen fühlte“, erzählt der Stiftungsgründer. Außerdem hoffe er, dass die Geschichte die Zuhörenden dazu animiert hat, zu reflektieren.

Das Deutsche Herzzentrum Berlin gehört von Beginn an zum Schwerpunkt der Stiftung und ist eng mit der Gründung der Stiftung verbunden. Die Stiftung unterstützt Kinder, die komplexe kardiologische Behandlungen benötigen. „Gesundheit ist ein Privileg, das viele von uns für selbstverständlich halten. Mit unserer Arbeit möchten wir dazu beitragen, dieses Privileg zu teilen.“

Arne Friedrich liebt den Großteil seiner Arbeit, nur das Fundraising wurde bislang noch nicht zu seinem Steckenpferd – obwohl er Gelder einwirbt, um Kindern und Jugendlichen zu helfen. Und die bürokratischen Hürden in Deutschland erschweren manchmal die Stiftungsarbeit. „Aber die restlichen 90 Prozent machen mir Spaß. Ich liebe es, mit Menschen zu sein. Ich liebe es, von Menschen zu lernen und auch selbst zu inspirieren.“ Unter anderem deshalb ist er auch Host des Podcasts From Done To Dare, in dem er mit ausgewählten Gästen über Mindset und Veränderung spricht.

Engagement, Verantwortung und Visionen

Für Arne Friedrich beginnt Verantwortung im Kleinen – etwa durch ein Lächeln oder eine unterstützende Geste. „Wir alle können ein Licht für andere sein“, sagt er und ergänzt: „Wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen und Verantwortung übernehmen, können wir gemeinsam viel bewegen. Jeder Mensch kann einen Beitrag leisten, und es muss nicht immer Geld sein.“ In diesem Sinne betrachtet er seine Stiftungsarbeit auch als Mittel gegen soziale Spaltung.

Für die Zukunft hat Arne Friedrich klare Ziele. „Ich möchte die Stiftung weiter ausbauen, mehr Menschen helfen und unsere bestehenden Projekte langfristig absichern“, sagt er. Insbesondere das Bildungsprogramm Vielfalt gewinnt! soll auf weitere Städte ausgeweitet werden, um noch mehr Kindern und Jugendlichen Perspektiven zu bieten. Gleichzeitig möchte er die Kinderhospizarbeit intensivieren und stärker auf die Bedürfnisse der betroffenen Familien eingehen.

Arne Friedrich legte zu Beginn den finanziellen Grundstock für seine Stiftung. „Irgendwann muss die Stiftung allerdings auch allein klarkommen“, sagt er. Der jährliche finanzielle Bedarf allein für die Projekte ist hoch und das, obwohl die Stiftung über keine eigenen Büroräume verfügt und keine festangestellten Mitarbeitenden hat. Die Akquise geht jedes Jahr aufs Neue los, was einen gewissen Druck mit sich bringt. Ihm ist es ein Anliegen, Projekte nicht nur ein Jahr lang anzubieten, sondern langfristig zu etablieren. Die Stiftung erreichen viele Zuschriften und Anfragen. „Wir müssen immer abwägen, was wir machen. Das hängt natürlich stark von den Fördermitteln ab, die reinkommen. Aber grundsätzlich unterstützen wir unsere Projekte, damit sie dauerhaft laufen. Weil wir leider nicht die ganze Welt retten können.“

Arne Friedrich

„Aktuell läuft vieles ehrenamtlich,
aber um zu wachsen, brauchen wir
mehr Ressourcen.“

Das Credo der Stiftung lautet: „Wir stiften an!“ Arne Friedrich erklärt es so: „Wir stiften Mut, das ist die Hospizarbeit. Wir stiften Gesundheit, das ist das Deutsche Herzzentrum. Wir stiften Bildung und Vielfalt, das ist das Programm Vielfalt gewinnt!“ Gleichzeitig stiftet das Team der Arne-Friedrich-Stiftung Sinn. Es gibt zwei offizielle Gremien in der Stiftung: Vorstand und Stiftungsrat bzw. Kuratorium. Doch das dritte, inoffizielle Gremium sei das eigentliche Powerhouse, den sie „Freundeskreis“ nennen. Zum Freundeskreis gehören Menschen, die die Stiftung pro bono unterstützen und mit anpacken. Da ist zum Beispiel Anas Modamani, der 2015 aus Syrien nach Deutschland floh und seinerzeit für das Selfie mit Angela Merkel bekannt wurde. Heute ist Anas deutscher Staatsbürger und hilft in der Stiftung ehrenamtlich, indem er Videos schneidet. Ein Rechtsanwalt kümmert sich um Angelegenheiten, die zum Beispiel mit den Ämtern zu tun haben. Arne Friedrich nennt ein Beispiel: „Die Mutter einer jungen Frau, die eine terminale Krankheit hat und künstlich beatmet wird, muss ihre Tochter vier Stockwerke hoch- und runtertragen. Vor der Tür gibt es einen ausgewiesenen Behindertenparkplatz, der aber oft belegt ist. Martin Hermann hat sich gekümmert und konnte Abhilfe schaffen.“

Gerade steht die Stiftung vor einer neuen Herausforderung, für die sie ehemalige Englischlehrkräfte sucht, die sich in ihrer Freizeit engagieren möchten. Die Stiftung unterstützt auch eine staatliche Schule in Ruli, Ruanda. „An den privat geförderten Schulen verdienen die Lehrer mehr Geld und haben dementsprechend auch mehr Kenntnisse, während die Lehrer an den staatlich geförderten Schulen wie in Ruli kein gutes Englisch sprechen. Aber wie sollen sie Kindern das Englisch beibringen?“ Er möchte dem entgegenwirken und dafür den Freundeskreis der Stiftung um drei oder vier pensionierte oder aktive Lehrkräfte erweitern, die einmal im Monat auf digitalem Weg die Lehrer vor Ort unterrichten. „Das hat nichts mit Geld zu tun. Das hat nur damit zu tun, ob man etwas Sinnvolles tun möchten.“ Besagte Schule ist partnerschaftlich mit der Vielfalt-gewinnt-Schule in Bad Oeynhausen verbunden, Arne Friedrichs Heimatschule. Sein ehemaliger Lehrer flog nach dem Genozid 1995 nach Ruanda, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Daraufhin initiierte er einen Spendenlauf, an dem sich auch Arne Friedrich beteiligte. Mit dem gesammelten Geld und dem aus weiteren Töpfen konnten sie eine Primarschule in Ruli bauen. „Als wir Vielfalt gewinnt! in Bad Oeynhausen platziert haben, war mir wichtig, dass wir gleich eine internationale Brücke nach Ruli bauen.“ Arne Friedrich ist selbst auch nach Ruanda gereist und hat sich den Bedarf angeschaut: „Die brauchten zum Beispiel einen riesigen Wassertank, weil es in der Trockenzeit zu wenig Wasser gibt. An der Schule sind insgesamt 1000 Schülerinnen und Schüler, davon 409 Mädchen. Die eine hat mal ihre Periode und die andere hat mal andere Probleme, aber die Mädchen können sich nirgends zurückziehen. Jetzt haben sie dort innerhalb von drei Monaten ein richtiges kleines Häuschen gebaut.“ Solche Themen sind dem Stiftungsgründer extrem wichtig.

„Ich liebe es, von Menschen zu lernen
und auch selbst zu inspirieren.“

Arne Friedrichs Studio
Deutsche Fussballnationalmannschaft 2011
Deutsche Fußballnationalmannschaft 2011

Es ist eine kleine familiäre Stiftung. Sein Wunsch ist, dass sie auch in ihre Struktur investieren können, was die Arbeit enorm erleichtern würde. „Wir brauchen Geld, um eine Stelle bezahlen zu können“, schildert Arne Friedrich das Dilemma. „Aktuell läuft vieles ehrenamtlich, aber um zu wachsen, brauchen wir mehr Ressourcen.“ Momentan fließt Geld, das reinkommt, direkt wieder raus in die Projekte. „Die Projekte kosten alle Geld. Aber das ist ja das Schöne“, freut er sich. „Deswegen sind auch alle so mit dem Herzen dabei. Jeder übernimmt Verantwortung. Allen, die bei mir im Kreis sind, vertraue ich hundertprozentig. So eine Stiftung ist noch mal was anderes, ein Fehler kann alles kaputt machen. Ich habe persönlich immer darauf geachtet, mir nichts zuschulden kommen zu lassen. Mit meiner Stiftung bin ich noch vorsichtiger.“ Neben Spenden sind alle Menschen willkommen, die helfen möchten, solange sich eine passende Aufgabe finden lässt.

Arne Friedrich sieht sich in einer gesellschaftlichen Verantwortung und beobachtet beispielsweise den Umgang in den sozialen Medien oder die politischen Diskurse. Warum ist es gerade, wie es ist? Eine einfache Erklärung gebe es jedenfalls nicht: „Es ist ein vielschichtiges Thema. Es fing schon mit Corona an, das hat Spuren bei den Menschen hinterlassen, auch emotional. Unsere derzeitige Regierung, die auch ein ziemliches heftiges Erbe von der alten Regierung übernehmen musste, dann kam der Angriffskrieg der Russen. Das geht jetzt seit drei Jahren, man darf das nicht unterschätzen. Da spielen so viele Faktoren eine Rolle. Die Menschen sind unzufrieden, und sie haben Angst, glaube ich. Menschen wollen sich nach etwas richten.“ Die momentane Regierung bietet sich dafür offenkundig eher nicht an. „Darum hat es auch in Amerika den red sweep gegeben“, ist er überzeugt. „Von Trump kann man halten, was man will, aber eines hat er richtig gemacht: Er steht für etwas, und die Leute nehmen ihm das ab. Ob das gut oder schlecht ist, wollen wir hier nicht diskutieren. Er hat es geschafft, und jetzt ist es die Aufgabe der Regierung, die im Februar neu gewählt wird, Verantwortung zu übernehmen. Und natürliche haben wir alle eine Verantwortung.“

Etwas Gutes zu tun, beginnt im Kleinen, findet der Visionär. „Wenn jeder vor seiner eigenen Haustür kehrt und versucht, seinem Nächsten in einem Moment zumindest ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern oder jemanden zu unterstützen, ohne gefragt zu werden, dann kommen wir weiter“, ist er sich sicher.

Arne Friedrichs

(geb. 29. Mai 1979 in Bad Oeynhausen)
ist ein ehemaliger Fußballspieler sowie -trainer und -funktionär.

Friedrich war einige Jahre Kapitän von Hertha BSC. Ab der Saison 2010/11 bis Mitte September 2011 spielte er beim Bundesligisten VfL Wolfsburg. Zuletzt stand er bei Chicago Fire in der MLS unter Vertrag.

Außerdem spielte er von 2002 bis 2011 für die deutsche Nationalmannschaft, mit der er 2008 Vizeeuropameister wurde sowie bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2010 jeweils den dritten Platz erreichte.

Seine bevorzugte Position war Innenverteidiger, er wurde aber auch als Rechtsverteidiger eingesetzt.

2015 gründete Friedrich die Arne-Friedrich-Stiftung mit dem Ziel, „… Kindern wirksam zu helfen, ihr Leben zu verbessern.

Arne Friedrichs Portrait

Arne-Friedrich-Stiftung Logo

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