Er hört gern zu, setzt auf Vertrauen und hat viel vor, um Berlins Wachstumskurs in sichere und durchdachte Bahnen zu lenken. Nun kandidiert er für den Posten des Regierenden Bürgermeisters. Wir sprachen mit dem Landesvorsitzenden der CDU Berlin, Kai Wegner, über seinen Antrieb, seine Visionen und seine Liebe zu Berlin.

Mein/4: Du kandidierst als Regierender Bürgermeister von Berlin. Nach 20 Jahren möchtest du die CDU wieder an die Regierung bringen. Guckst du in der momentanen Situation, wie das bei anderen Parteien so läuft?

Kai Wegner: Ich gucke in erster Linie auf mich, auf meine Partei. Aber vor allen Dingen auf die Stadt. Das ist für mich auch der Antrieb. Ich bin gebürtiger Berliner. Ich liebe diese Stadt, ich sehe so viele Defizite, und die will ich verändern. Rückenwind wünscht sich natürlich jeder, aber es kommt auch mal Gegenwind. Aber der Wind dreht sich auch wieder. Entscheidend ist, dass man das Beste aus sich rausholt und versucht zu überzeugen, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Ich glaube, Vertrauen ist in der Politik wirklich die höchste und wichtigste Währung. 

Mein/4: Was sind deine Stärken für Berlin als Regierender Bürgermeister? 

Kai Wegner: Ich glaube, ich bin extrem fleißig. Das sagen zumindest alle über mich. Wenn ich etwas mache, mache ich es richtig und mit ganzer Leidenschaft. Das gilt auch für diese Kandidatur. Das verspreche ich schon mal: Auch nach der Wahl geht es so weiter, egal in welcher Position und in welcher Rolle. Das Zweite: Ich höre wirklich gerne zu. Zurzeit reise ich im wahrsten Sinne des Wortes durch die Stadt und nehme ganz viel auf und ganz viel mit. Vieles kennst du schon, aber vieles kennst du eben noch nicht. Die Punkte, die ich in meinen Gesprächen aufnehme, bewege ich in meinem Kopf und teilweise auch in meinem Herzen, wenn sie mich richtig erreichen. Und die versuche ich dann zu verändern. 

Mein/4: Du musst sicherstellen, dass es ein besseres Konzept gibt. Was muss, ganz konkret, besser werden? 

Kai Wegner: Dieses ewige Gegeneinander muss aufhören. Jeder gegen jeden: Fahrradfahrer gegen Autofahrer, Mieter gegen Vermieter, Sicherheit gegen Freiheit, Innenstadt gegen Außenbezirke. Ich finde: Die Stadt ist groß genug. Sie hat so viel zu bieten, und da ist Platz für jeden. Da ist Platz für Fahrradfahrer und Autofahrer. Wir müssen schauen, wie wir sichere Fahrradwege hinkriegen, damit z. B. weniger tödliche Unfälle passieren auf Berlins Straßen. Wie kriege ich die wirklich gut und sicher hin, ohne dass Autofahrer immer das Gefühl haben, sie dürften nicht mehr Auto fahren? Ich bin baupolitischer Sprecher der CDU-CSU- Bundestagsfraktion, und ich erlebe, wie z. B. eine Stadt wie Hamburg das Problem mit bezahlbarem Wohnraum, was es dort ja auch gibt, viel besser löst als Berlin. Die haben ein Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen mit Mieterverbänden, der Immobilienwirtschaft, mit städtischen und privaten Genossenschaften, mit der Verwaltung. Da sitzen alle an einem Tisch und überlegen, wie sie das Problem schultern können. Das wird eine Maßnahme sein, die ich sehr konkret und schnell angehen werde. 

Mein/4: Wie kann das funktionieren? Irgendjemand muss ja diesen Platz aufgeben, Was ist das Konzept?

Kai Wegner: Du musst die bestehende Fläche neu aufteilen. Klar, mehr Fläche kriegen wir nicht dazu. Ich höre immer irgendwelches Gefasel von autogerechter Stadt. Berlin war nie eine autogerechte Stadt. Berlin wird auch nie eine autogerechte Stadt sein. Das ist auch nicht mein Ziel, weil eine autogerechte Stadt keine Stadt mit hoher Lebensqualität ist, in der sich Menschen wohlfühlen. Im Umkehrschluss will ich übrigens auch keine fahrradgerechte Stadt, sondern ich will eine menschengerechte Stadt, in der jeder entscheiden kann, wie er sich von A nach B bewegt. Es gibt deutlich mehr Fahrradfahrer als vor 20 Jahren in der Stadt. Jetzt muss ich dafür sorgen, dass diese Radfahrerinnen und Radfahrer sich auch sicher auf den Straßen bewegen können. Was immer noch fehlt, ist ein gesamtstädtisches Radverkehrswegenetz. 

Natürlich wirst du den einen oder anderen Parkplatz wegnehmen müssen für sichere Fahrradwege. Ich glaube, dass die meisten Autofahrer diesen Weg mitgehen. Aber wenn sie das Gefühl haben, es passiert aus ideologischen Gründen, weil man sie umerziehen und bevormunden will, dann finden sie das nicht gut. Ich will Angebote machen. Wir brauchen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr. Gerade wenn ich an die Außenbezirke denke, da gibt es viel zu wenig Schienenanbindung. Wir brauchen, gerade was Mobilität angeht, neue Konzepte in Berlin. 

Mein/4: Berlin ist wirtschaftlich abhängig vom Tourismus. Welche Stadt erwartest du im September vorzufinden?

Kai Wegner: Meine ganz große Sorge ist, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten noch eine Insolvenzwelle erleben werden. Berlin hat es sehr hart getroffen. Hotellerie, Gastronomie, wir haben die ganze Veranstaltungswirtschaft, die Club- und Kreativwirtschaft. Jetzt ist es die Aufgabe von der Politik, die Unternehmen, die hart getroffen sind, irgendwie durch diese Krise zu bringen, mit Unterstützungsprogrammen, Überbrückungshilfen, was auch immer geht. Da ist der Bund gefragt und auch das Land. Ich bin immer jemand, der sagt, wir müssen solide haushalten. In dieser Phase geht das nicht. Da finde ich es auch richtig, dass das Land Berlin Schulden aufnimmt. Wir müssen diesen Unternehmen helfen. Aber jetzt müssen wir die Schwerpunkte neu justieren. Es muss wirklich darum gehen, Arbeitsplätze zu sichern, Arbeitsplätze zu retten, Existenzen, die Wirtschaft durch diese Krise zu bringen und vor allen Dingen das Ganze jetzt schon vorzubereiten. 

Mein/4: Fast 20 Jahre SPD, jetzt zurück zur CDU. Wie willst du diese Brücke bauen und die Leute abholen? 

Kai Wegner: Wir haben in den letzten zwei Jahren wirklich etwas verändert. Als Berliner CDU ist es auch mein Ziel zu verändern. Ich glaube, dass die Berliner CDU bei der Entwicklung dieser Stadt nicht schnell genug hinterhergekommen ist. Die Stadt hat sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren so dramatisch verändert. Vor zwei Jahren hätte ich mal gesagt, die CDU trifft nicht mehr das Lebensgefühl dieser Stadt. Das ist immer noch dieses 90er-Jahre-Gefühl. Aber wir sind halt im Jahr 2021. Heute würde ich sagen, dass es nicht nur das eine Lebensgefühl gibt, sondern es gibt so unendlich viele Lebensgefühle. Pankow hat ein ganz anderes Lebensgefühl als Marzahn-Hellersdorf und Lichtenrade hat ein ganz anderes Lebensgefühl als das Falkenhagener Feld oder Staaken. Ich glaube, die CDU hat sich ein bisschen schwer getan, dieses vielfältige Berlin, diese wirklich internationale, weltoffene Metropole als Chance zu sehen. Ich sehe diese Vielfalt in unserer Stadt als Riesenchance. Das macht Berlin aus. 

Mein/4: Wo siehst du Berlin in zehn Jahren? Was muss sich entwickeln? 

Kai Wegner: Berlin hat eine internationale Strahlkraft. Unser Anspruch muss sein, sich an internationalen Metropolen zu messen, auch was London, Paris oder Rom angeht. Solche großen Städte sind unsere Wettbewerber, sage ich mal. Ich sehe in Berlin, dass diese Vielfalt weiterlebt und dass Berlin eine Stadt ist, wo Kinder optimale Chancen haben, egal wo sie herkommen. Ich sehe eine Stadt, die nicht ausgrenzt. Ich will, dass wir weiterhin eine Berliner Mischung haben, wo der Arzt neben dem Bauarbeiter wohnt usw. Diese Mischung hat Berlin immer ausgemacht. Das müssen wir erhalten. Ich sehe Berlin als Stadt der Chancen, als internationale Metropole, als vielfältige Stadt, aber auch als sichere und saubere Stadt. Das ist mir auch wichtig, dass der Rechtsstaat hier endlich wieder richtig funktioniert und durchgesetzt wird. 

Mein/4: Wie willst du sicherstellen, dass die Berlinerinnen und Berliner sich das Wohnen in Berlin noch leisten können? 

Kai Wegner: Wir haben in Berlin in den letzten Jahren einfach zu wenig gebaut. Wir haben einen viel zu geringen Leerstand. Wir haben so viel Potenzial, das wir nutzen müssen, wenn ich an Flächen denke wie den ehemaligen Flughafen Tegel, wo Wohnungen entstehen sollen. Das muss jetzt aber endlich mal angegangen werden. Wir haben die Möglichkeit, die Dachgeschossausbau-Nachverdichtung in Berlin voranzutreiben. Das sind alles Punkte, die wir jetzt endlich nutzen müssen, damit auch mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht. Über viele Jahre wurden gar keine Sozialwohnungen in Berlin gebaut, das ist inakzeptabel. Die Welle, die wir jetzt erleben und den Druck, den wir jetzt erleben, der ist ja nicht erst gestern oder vorgestern entstanden. Wenn eine 

Stadt wächst, musst du den Wohnungsbau ankurbeln. Die soziale Infrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur, die Verwaltung – das gehört auch alles dazu. Berlin muss an allen Stellen funktionieren und soll nicht nur sexy sein. 

Mein/4: Es sieht nicht danach aus, als würde die CDU so erstarken, dass eine Alleinregierung möglich wird. Wen kannst du dir an eurer Seite vorstellen? 

Kai Wegner: Ich fange mal an, mit wem ich es mir auf gar keinen Fall vorstellen kann. Die AfD kommt für mich null Komma null in Frage. Die passen einfach nicht zu dieser Stadt, die ich liebe. Diese internationale, vielfältige Metropole Berlin ist all das, was die AfD nicht will. Eine Koalition mit der Linkspartei schließe ich auch aus. Inhaltlich passt das nicht zusammen. Die Linke will alles rekommunalisieren, alles verstaatlichen. Der Staat kann alles besser, und das ist nicht mein Ansatzpunkt. Dazwischen haben wir die FDP. Bei den Wahlprogrammen gibt es da eine große Übereinstimmung. Da kann man was machen, für Schwarz-Gelb wird es aber nicht reichen. Also brauchst du irgendwie die SPD oder die Grünen. Beide Wahlprogramme deuten darauf hin, dass sie mit der gescheiterten Politik von Rot-Rot-Grün nichts mehr zu tun haben wollen. Wenn beide bereit sind, wirklich einen Aufbruch für Berlin zu machen und einen Neustart hinzubekommen, wie wir das auch jetzt unter meiner Führung einer Berliner CDU hinbekommen habe, kann ich mir das mit beiden vorstellen. 

Mein/4: Vielen Dank für das Gespräch.