„Kurz und knapp“ ist eine Interview-Serie des Berliner Fotografen Jens Wazel.

Kurz und knapp … wer bist du?

Ich bin eine Performance-Installationskünstlerin.

Was bedeutet das?

Ich kreiere Spielplätze, um Künstler zu inspirieren, und gemeinsam schaffen wir dann etwas, was das Publikum inspiriert. Die Installationen sind keine Skulpturen oder Dekorationen, die man sich nur anschaut, sie sind immer interaktiv und stehen in Verbindung mit dem Raum, in dem wir arbeiten. Wir wollen dem Publikum eine Empfindung geben, ein Gefühl, so dass sich etwas in ihnen bewegt.

Ich kreiere Spielplätze, um Künstler zu inspirieren, und gemeinsam schaffen wir dann etwas, was das Publikum inspiriert. Die Installationen sind keine Skulpturen oder Dekorationen, die man sich nur anschaut, sie sind immer interaktiv und stehen in Verbindung mit dem Raum, in dem wir arbeiten. Wir wollen dem Publikum eine Empfindung geben, ein Gefühl, so dass sich etwas in ihnen bewegt.

Wollkunst Riquelme

Was ist dein Background?

Ich bin in Santiago de Chile aufgewachsen. Ich war immer sehr sportlich, war auf einer Sportschule, habe Gymnastik gemacht und Volleyball gespielt. Es war sehr gesellig, aber ich hatte auch viel Zeit für mich allein. Einsamkeit hatte für mich immer etwas mit Handarbeit zu tun: Malen, Entwerfen, das Anfertigen von Kleidung und Installationen.

Akrobatik Bühnenbild Paula Riquelme

Ich habe dann Tanz und Theater studiert, aber ich habe ein Problem mit meiner Stimme – ich kann nicht wirklich laut sprechen – und es war schwierig für mich, Text zu lernen.

Dann habe ich einen Kurs für Luftakrobatik besucht, und alles kam zusammen: ich konnte tanzen und schauspielern, ohne sprechen zu müssen, ich konnte Installationen machen und Kostüme entwerfen – es war perfekt. Ich war schon 26, als ich mit dem Zirkus anfing, aber ich hatte es in meinem Körper.

Ich habe drei Jahre lang bei verschiedenen Lehrern in Chile und Frankreich gelernt: Trapez, Doppeltrapez und Tuch. Einer der Lehrer war sehr streng, er hat mich immer an meine Grenzen gebracht. Damals war das schwierig, aber jetzt hilft es mir: wenn ich arbeite, gibt es oft viel Chaos um mich herum, aber ich kann ruhig bleiben.

Und dann?

Ich begann, bei Veranstaltungen aufzutreten, und gründete dann meine eigene Kompanie. Ich trat auf, führte Regie, machte Choreografien und fertigte die Kostüme an. Meine Schwester wurde die Produzentin, damit ich mich auf die Kunst konzentrieren konnte. Ich habe immer mehr Shows gemacht, aber dann kam ich an einen Punkt, an dem ich nicht mehr wachsen konnte. Die Kunst in Chile ist sehr kommerziell: alles muss sexy, cool, schön und elegant sein. Es ist sehr schwer, einen eigenen Stil und eigene Ideen zu haben, man kopiert immer irgendetwas, was in den USA oder in Europa passiert, also hatte ich das Gefühl, dass ich dorthin gehen muss.

Wann bist du nach Berlin gekommen?

Ich bin zuerst in die Schweiz gegangen, war bei der Eröffnung des Gotthardtunnels für die Luftakrobatik mit 17 Künstlern verantwortlich. 2017 kam ich nach Berlin mit der Idee, etwas Ähnliches zu machen, aber ich fand nicht die richtigen Räume dafür. Mein Traum war es, meine eigene Show zu kreieren und das Bühnenbild dafür zu entwerfen, also zuerst den Spielplatz zu schaffen. Ich begann in meiner Studiowohnung mit der Planung, und nach einer Weile war meine Wohnung voller Kostüme und Wolle.

Wolle?

Ich mag Wolle, weil sie gemütlich ist und leicht zu transportieren. Ich hatte bereits in Chile damit experimentiert, nachdem ich eine Operation hatte und zu Hause bleiben musste. Ich habe angefangen, mit einem Webstuhl zu weben, ich habe gestrickt und gehäkelt. In Berlin machte ich weiter und füllte Kartons mit Kreisen, Dreiecken oder Pyramiden. Es gab keinen Plan, ich habe einfach diese Teile gemacht, und dann habe ich sie zusammengesetzt … und sie wurden zu einer Wand.

Dann hatte ich die Idee, Löcher in die Wand zu machen, damit man darauf klettern konnte, und ich habe Trapezstangen hinzugefügt. Mein vorheriger Regisseur Uli Hertzel lud mich nach Frankreich ein und ich kreierte ein Stück mit zwei Akrobaten, das sehr erfolgreich war. Dann traten wir bei einem Musikfestival in Polen auf und wurden zu weiteren Festivals eingeladen. Das Projekt entwickelte sich weiter, ich begann mit verschiedenen Künstlern zu arbeiten, aber dann kam Covid. Ich experimentierte weiter, und als die Pandemie endete, konnte ich endlich das Team zusammenstellen, das heute noch zusammen ist.

Maraña …

Das ist der Name der Kompanie für diese riesige, farbenfrohe Wollinstallation. Es gibt fünf Luftakrobaten, einen Musiker und einen Lichttechniker. Im Moment haben wir eine Show namens Organismo. Wir arbeiten alle zusammen als ein Organismus und laden das Publikum in eine lebendige Welt ein, die einen ganz eigenen Fluss und Rhythmus hat. Es ist eine sehr magische und sinnliche Erfahrung. Ich stelle es mir wie Wasser vor, und die Show verändert sich ständig, während wir spielen und lernen.

Wo ist euer Studio?

Unser Zuhause ist die Künstlerresidenz Monopol, in einer alten Brennerei in Reinickendorf. Wir sind dort seit fast vier Jahren. Dieser Ort hat es mir ermöglicht, größer zu denken, und wer sich für die Show interessiert, kann in das Studio kommen und sich ein Bild von der Installation machen: eine Struktur aus Wolle und Metall mit einem Gerüst auf der Rückseite. Die Installation ist transportabel und kann an anderen Orten wieder aufgebaut werden. Wir sind inzwischen auch im Zirkus Mond und in der UFA Fabrik in Berlin aufgetreten, bei einem Zirkusfestival in Belgien und im Cabaret Sauvage in Paris.

Performance Paula Riquelme

Hast du auch andere Projekte?

Ich habe eine andere Installation namens Viento. Sie ist auch aus Wolle, aber ganz in Weiß. Ich hatte Stücke von Frauen in meiner Familie gesammelt, die Krankheiten hatten, und ich wollte etwas schaffen, das friedlich und heilend ist, das Hoffnung vermittelt. Viento ist in der Luft, wie der Wind, weiter entfernt von der Realität. Es ist eine Abfolge von Solo-Nummern mit einem sehr langsamen Rhythmus, der es den Darstellern ermöglicht, in einen anderen Fluss zu kommen, als es normalerweise im Zirkus der Fall ist. Auch das Publikum hat Zeit, langsamer zu werden und alle Details und Emotionen wahrzunehmen.

Du sammelst Sachen…

Ich habe viele Kisten voller Dinge, wie Krawatten, Socken oder kleine Puppen. Und wenn ich genug Material habe, mache ich Installationen, zum Beispiel ein Sofa aus Stofftieren. In jeder dieser Installationen stecken tausende Geschichten von den Menschen, die mir diese Dinge gegeben haben – ich bin nur diejenige, die sie zusammenstellt. Es geht dabei auch um die Zeit, die ich zum Sammeln gebraucht habe, und es gibt jede Menge Humor. Ich bin an einem Projekt im Frachtbereich des alten Flughafens Tegel beteiligt, wo wir Kunst machen, und Partys organisieren: das ist der perfekte Ort für diese Installationen.

Wo wohnst du?

Ich wohne mit meiner 23-jährigen Tochter im Prenzlauer Berg. Sie ist handwerklich begabt und arbeitet selbst an Dekorationen und Installationen. Sie hilft mir auch bei meinen Projekten, und in gewisser Weise tritt sie in meine Fußstapfen, auch wenn sie sicher nicht möchte, dass ich das sage. Wir sind beide Workaholics, und es ist normal, dass ich um 3 Uhr nachts nach Hause komme und sie noch wach ist, malt oder Schmuck herstellt – wir lassen uns einfach inspirieren und vergessen die Zeit.

Wirst du in Berlin bleiben?

Ich weiß, dass ich früher oder später weggehen werde, so dass ich wieder bei null anfangen kann, um zu sehen, wer Paula dann ist. Am einfachsten ist es, das Land zu wechseln und an einen anderen Ort zu gehen, wo mich niemand kennt und ich selbst entscheiden kann, wie ich mich präsentiere. Ich werde wissen, wann es an der Zeit ist, wenn ich alles erfahren und gelernt habe, was ich konnte, und dann bereit bin weiterzuziehen. Das habe ich mit Zirkusleuten gemeinsam: wir sind Nomaden. Es können weitere drei Jahre in Berlin sein, oder zehn … ich weiß es noch nicht.

Vielen Dank!

Paula Riquelme

Paula Riquelme Profil

ist eine Performance-Installationskünstlerin. Sie ist ursprünglich aus Chile und lebt und arbeitet seit 2017 in Berlin.

www.instagram.com/lapaulari
www.instagram.com/marana

Jens Wazel

ist Fotograf und Videofilmer. Im Osten aufgewachsen, wohnt er nach 25 Jahren in den USA wieder in Berlin.

www.jenswazelphotography.com