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Nie wieder ist jetzt – zum Terrorangriff der Hamas auf Israel

© pexels.com Geni Hoka

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel und seine Bürger am 7. Oktober, bei dem 1200 Zivilisten brutal ermordet und 240 als Geiseln genommen wurden, ist das schlimmste Pogrom auf Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust und damit traumatisch für die Juden weltweit. Israel wird und muss nun alles tun, um dieses verlorene Vertrauen wiederherzustellen und hat nach der UN Charta selbstverständlich ein Recht auf Selbstverteidigung.

Ein Kommentar von Kerstin Müller | Berlin 26.11.2023

Regierungen weltweit haben auf diesen grausamen Angriff ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht – allen voran die USA, aber auch die deutsche Bundesregierung. Immerhin haben wir uns ganz offiziell dazu verpflichtet, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson ist. Annalena Baerbock scheute auch nicht davor zurück, sich die Tatorte des Grauens in den Kibbuzim im Süden des Landes anzuschauen und die Videos, die die entmenschlichten Gräueltaten der Hamas zeigten, weil diese ihr Morden filmten und „stolz“ ins Netz stellten. Während der Generalsekretär der UN, António Guterres, sich dieser Tage weigert, sich das Video vom 7. Oktober anzuschauen.

Warum nur? Er spricht in einer ersten Stellungnahme davon, dass man die Gräueltaten „kontextualisieren“ müsse! Was ist an einem Massenmord zu „kontextualisieren“? Das Unbehagen beschleicht einen, dass er eigentlich „relativieren“ will, das Morden, den Terror und damit auch letztlich das jüdische Trauma.

Da ist das Bild aneinander gefesselter Kinder im Kibbuz Nir Oz, die sich im Bunker versteckt hatten und alle der Reihe nach erschossen wurden.

Da sind die fröhlich tanzenden Jugendliche auf dem Friedensfestival in der Wüste nahe von Re’im – mehr als 260 von ihnen werden, wie in einem mehrstündigen entsetzlichen „Blutrausch“ gefoltert, vergewaltigt und regelrecht abgeschlachtet.

Ein Bild eines Mädchens vom Festival geht um die Welt:

Es wird halbnackt, triumphierend unter Allah Akba Rufen, offensichtlich schwerverletzt, auf einem Pickup durch Gaza gefahren. Es ist die Deutsche Shani Louk, 30 Jahre alt, wie ihre Mutter Tage später verzweifelt im deutschen Fernsehen berichtet. die Inzwischen klar, dass Shani Louk von ihren Peinigern getötet wurde. Selbst der Bundeskanzler drückt seine Trauer und Verachtung über das grausame Verbrechen aus.

Das sind nur wenige Schicksale der 1200 Ermordeten.
Die 240 Geiseln sind fast alle noch in der Gefangenschaft der Hamas – das jüngste der 34 Kinder ist gerade mal 9 Monate alt (!) die älteste Geisel 84.

Wieso zweifelt da noch jemand daran, dass wir es mit einem völlig entmenschlichten islamistischen Terror zu tun haben?

Das Erschreckende ist – wenn man den Debatten in den deutschen Medien und vor allem im Netz folgt, dann „be“-zweifeln das nicht nur Tausende, dann finden diese grausamen Verbrechen überhaupt nicht mehr statt – man unterschlägt, dass sie der Grund der militärischen
Reaktion Israels gegen die Hamas sind. Stattdessen dominieren die Bilder der zerstörten Gebäude und die fliehenden Menschen in Gaza die Medien, sowie die – von der
Hamas verbreiteten – hohen Opferzahlen in Gaza.

Schlimmer noch: Der ersten Solidarität mit Israel und einigen Demonstrationen folgt nicht etwa Empathie für die Menschen und Opfer, sondern eine weltweite Welle von Antisemitismus. Überall auf den Straßen Europas und in den USA, in der arabischen Welt sowieso, dominieren Pro-Palästina-Demos die Straßen, auf denen unverhohlen „Tod den Juden“ und „Free Palestine – From the River to the Sea“ geschrien wird – sprich die Auslöschung Israels gefordert wird. RIAS, die bundesweite Recherche- und Informationsstelle für Antisemitismus, spricht von einer Verdreifachung antisemitischer Vorfälle seit dem 7. Oktober! 91 Prozent davon sind israelbezogener Antisemitismus. Dabei werden, wie zur Nazizeit, Wohnungen von Jüdinnen und Juden mit Davidsternen „markiert“. Der Zentralrat der Juden in Deutschland spricht von einer neuen Dimension des Judenhasses auf den Straßen und auch an deutschen Schulen.

Kein Wunder also, dass viele deutsche Juden daran denken auszuwandern. Selbst solche wie der Pianist Igor Levit, der erschüttert feststellt (Die Zeit v. 16.11.23), sein Grundvertrauen in die deutsche Gesellschaft verloren zu haben. Weil er keinerlei Empathie spüre für das, was Israel widerfahren ist. „Kapiert man nicht, dass wer ‚Tod den Juden‘ schreit ‚Tod der Demokratie‘ meint?“ Und verbittert
erklärt er: „Kein Ereignis hat mich so zum Juden gemacht wie dieses!“

Armes Deutschland,

… wenn so jemand wie Igor Levit daran denkt auszuwandern, steht es schlecht um unser Land,

… wenn eine deutsche Migrantin am Tag des Terrors in fließendem Deutsch auf „X“ erklärt: „Das ist ein Grund zum Feiern für mich“, dann erst recht.

Vor allem: Wer als Deutsche mit muslimischem Migrationshintergrund den Terror der Hamas als Freiheitsbewegung ansieht, der hat entweder nichts oder nur Unsinn über den Nahostkonflikt gelernt. Dem geht es auch nicht um Empathie mit den palästinensischen Opfern, die wir alle empfinden.

Nein, der denkt zutiefst antisemitisch.

Die islamistische Hamas will Israel vernichten und ein islamisches Kalifat vom Jordan-River bis zum Mittelmeer errichten.

Wie beim IS ist dabei „der Tod eingepreist“ – auch der der eigenen Bevölkerung. Je mehr palästinensische Tote, desto mehr wendet sich die Welt gegen Israel. Deshalb nimmt sie die eigene Bevölkerung als Geiseln, baut Terrorzentralen unter Krankenhäuser und Waffenlager in Schulen. Die Hamas, nicht Israel, verletzt damit das humanitäre Völkerrecht.

Die Hamas wollte auch noch NIE eine Zweistaatenlösung. Diese hat nur eine Chance, wenn die Hamas sie nicht mehr bekämpft.

Paradox? Nein. Eine Mehrheit der Palästinenser in Gaza, 67 Prozent, sieht das genauso – sie leiden schon fast 20 Jahre unter dem Joch der Islamisten.

Aber um diese Differenzierungen, die man braucht, um den Nahostkonflikt zu verstehen, geht es den „Tod den Juden“ schreienden Jugendlichen auf den Straßen Neuköllns nicht: Der Nahostkonflikt war schon immer eine Projektion für viele Linke und Migranten mit muslimischem Hintergrund sowie Rechte, ihren Antisemitismus „auszuleben“.

Unsere Gesellschaft sollte also, statt stundenlang über den Nahostkonflikt zu faseln, wovon die meisten wenig bis keine Ahnung haben, sich mit dem weitverbreiteten Extremismus und Antisemitismus beschäftigen, auch unter muslimischen Migranten. Ahmad Mansour, ein Deutsch-Palästinenser, sagt, unsere gesamte Islampolitik sei von unendlicher Naivität geprägt. Der Mann kann sich nur noch mit Polizeischutz bewegen. Wir müssen endlich entschieden gegen Hassprediger und Propaganda im Netz vorgehen, wir müssen die türkische DITIB wieder aus unseren Schulen verbannen, die dort – unfassbar, aber wahr – „Partner“ für den Islamunterricht ist. Wir müssen Lehrer und Lehrerinnen in die Lage versetzen, gegen Antisemitismus vorzugehen und Jugendliche mit jüdischem Leben hier konfrontieren. Wir müssen endlich aufwachen und unsere demokratische Gesellschaft offensiv gegen die islamistischen und extremistischen Kräfte verteidigen, die sie zerstören wollen, bevor es zu spät ist.

Kerstin Müller

Staatsministerin im Auswärtigen
Amt a.D. (2002-05)
MdB Bündnis 90/Die Grünen 1994-2013, davon u.a. 8 Jahre Fraktionsvorsitzende
Senior Associate Fellow der DGAP,
Kuratorium Aktion Deutschland hilft,
Beiratsmitglied von ELNET

von 2013–2018 Leiterin des Israel Büros der
Heinrich-Böll-Stiftung