Am 20. Januar 2022 brannte es in der Paul-Gerhardt-Kirche. In dem unmittelbar von Wohnhäusern umringten Gotteshaus wurde mutwillig Feuer gelegt. Innerhalb von etwa einer halben Stunde verbrannte der Altar, die Pfeifen der Orgel schmolzen und krachten nach unten. Es bleiben das schockierende Bild eines rußgeschwärzten Kircheninneren voller Schutt und Asche und das bedrückende Gefühl eines fremden Eindringens in den heiligen Raum. In der Gemeinde herrscht Fassungslosigkeit – doch vor allem ein hohes Maß an Solidarität und Hoffnung.

Die Paul-Gerhardt-Kirche, neben der Gethsemanekirche Teil der evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord, ist ein geschützter Ort für rund 200 Konfirmandinnen und Konfirmanden. Im Grunde gleicht der Kirchenraum eher einem Zimmer, in dem Erfahrungen ausgetauscht werden, in dem gespielt, gelacht, geweint und auch Sport gemacht wird. „Wir versuchen, den Jugendlichen mit den Themen sehr entgegenzukommen. Diese ganzen biblischen Geschichten werden auf die Bedürfnisse und Themen der Jugendlichen heruntergebrochen, z. B. Vertrauen oder Entwicklung“, schildert Pfarrer Tobias Kuske seine Arbeit mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden. Die Kirche war auf dem Weg, zu einer Jugendkirche zu werden. Bis dato wurde sie vor allem für Jugendgottesdienste genutzt. Pfeffersport, Berlins größter Kinder- und Inklusionssportverein, sollte neuer Kooperationspartner der Paul-Gerhardt-Kirche werden. Der Brand bedeutet einen enormen Rückschlag, so viele Visionen müssen erst einmal ruhen.

Die Kirche als „Safe Space“

Die jugendlichen Teamerinnen und Teamer dürfen sich in der Kirche an kleinen Leitungsaufgaben ausprobieren und sind für die Jüngeren häufig Vorbilder oder Identifikationsfiguren. „Manchmal werden sie nur beobachtet, wie sie etwas machen. Wie ziehen sie sich an? Wie leben sie? Was ist ihnen wichtig? Und häufig sind sie auch Gesprächspartner.“ Diese Jugendlichen, die hier so viel Zeit verbringen, beschreiben ihre Konfizeit oft als „Safe Space“. Sie finden in der Kirche einen sicheren Ort, an dem sie sein dürfen, wer sie sind, und sich zeigen dürfen, wie sie sind; sie erfahren Akzeptanz und Respekt. Die Zusammentreffen der Konfirmandinnen und Konfirmanden im Altarraum hatten fast etwas Intimes. Rücken an Rücken saßen sie oft dort, umgeben von einem Meer aus Kerzen. „Die Jugendlichen haben sich wie selbstverständlich in diesem heiligen Bereich bewegt“, erinnert sich Tobias Kuske, „manche kamen auch, um dort ihre Hausaufgaben zu machen oder zu malen. Sie haben sich wohl gefühlt.“ Zu diesem Safe Space, in dem geteilte Erlebnisse, Rituale, Gefühle und Geschichten einen Raum bekommen, soll die Kirche auch wieder werden.

Ein Ort für mehr als Gottesdienste

„Meine Idee war immer, die Kirche noch mehr zu nutzen. Wenn kein Gottesdienst ist, steht die Kirche in der Regel leer“, so der Pfarrer. Da passt Pfeffersport mit seinem integrativen Konzept perfekt rein. In einem Pilotprojekt sollten die Bänke rausgenommen werden, um einen adäquaten Boden zu verlegen; an der Kirchenarchitektur sollte sich nichts verändern. „So haben die Kinder dann einen großen Raum, der nicht nur Sport, sondern auch noch andere Visionen ermöglicht.“ Kirche und Sportverein sollten praktisch in einem Gebäude sein, gemeinsame Aktionen waren bereits angedacht. Für Pfarrer Tobias Kuske gehen mit diesem neuen Konzept auch die Fragestellungen einher: „Wie verändert der Sport möglicherweise unsere Gottesdienste? Haben wir vielleicht mal einen Sportgottesdienst oder einen Bewegungsgottesdienst? Wie verändert sich auch der gottesdienstliche Raum?“

Spenden und Beileidsschreiben als Zeichen der Solidarität

Die Versicherung und die Landeskirche kommen für den Schaden des Brandes auf. Doch mit dem Wiederaufbau sind viele Mehrkosten verbunden, die über Spenden abgedeckt werden müssen: „Tatsächlich haben uns viele bestürzte Stimmen von Menschen erreicht, die uns gern etwas spenden wollten. Wir freuen uns sehr darüber, denn auch die unendlich vielen Zwischenlösungen kosten Geld, z. B. die Anmietung von Räumen.“ Ebenso dankbar zeigt sich Tobias Kuske über die vielen Solidaritätsbekunden anderer religiöser Gemeinden, z. B. vom muslimisch-christlichen Verband oder der Synagoge. Und so soll es als Zeichen der Solidarität am 20. Februar einen gemeinschaftlichen Gottesdienst im Freien geben. Gerührt ist der Pfarrer auch, wie sensibel die Feuerwehrleute mit den Gegenständen in der Kirche umgegangen sind: „Die haben alles, was noch irgendwie unbeschädigt war, ganz liebevoll beiseitegestellt.“ Für die Gemeinde ist der aus dem Qualm gerettete Engel ein Symbol – für Solidarität, Hoffnung und Wandel.

Denn am Ende geht es um die zukünftige Geschichte und um die Entwicklung der Kirche im Kiez. Die Paul-Gerhardt-Kirche ist eine Stadtkirche, die Sport und andere Angebote für den Kiez öffnen möchte. Im Zuge des Wiederaufbaus soll nun der Sportboden mit einer Fußbodenheizung eingezogen werden. Pfarrer Tobias Kuske hofft, dass der Raum zu Silvester 2022 oder für das Neujahrskonzert 2023 wieder nutzbar sein wird. Für ihn sowie seine Kolleginnen und Kollegen ist klar: „Wir lassen uns nicht einschüchtern, und wir lassen die Kirche jetzt nicht allein!“

Pfarrer Tobias Kuske

Spendenkonto

Evangelische Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord

Stichwort: Zukunft der Paul-Gerhardt-Kirche

IBAN DE48 1005 0000 4955 1921 01

ⓒ Fotos: Pavol Putnoki