Eine Kolumne von Chin Meyer
Es gibt Erfindungen, die die Welt verändern: das Rad, der Buchdruck, Pommesfett … Richtig gelesen: Pommesfett! Die Berliner Verkehrsgesellschaft hat es geschafft, das wahrscheinlich widerwärtigste Überbleibsel einer Frittenbude in eine zukunftsweisende Innovation zu verwandeln! Die fettigen Reste eines „Big-Mac®-Meals“ mit Pommes revolutionieren den Berliner Straßenverkehr – das „Zeitalter der Frittenmobilität“ ist eröffnet.
Wozu in die Ferne schweifen – und nach arabischem Öl bohren? Wenn doch das Fett, das tonnenweise in Berliner Fast-Food-Restaurants anfällt, vor der Haustür liegt? Das Frittenöl, welches bislang ausschließlich auf Berliner Hüften Energiereserven aufstockte, kann jetzt auch die Motoren von Bussen betreiben. Wunderbarer Nebeneffekt: Übergewichtige können sich nun als Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel darstellen – eine „Plauze“ verwandelt sich in einen „Umwelt-Ranzen“. Dieser clevere Schachzug hebt den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ auf ein neues Level.
Doch während die einen diese Entwicklung als umwelttechnischen Durchbruch feiern, sorgen sich andere um olfaktorische Konsequenzen. Wie riecht eigentlich ein Bus, der mit altem Pommesfett betrieben wird? Gut, der Dieselgestank ist weg, aber altes Pommesfett? Hier ist das Stadtmarketing gefragt, wohligen Fritteusenduft zu einer Marke zu machen: Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft … Jener nostalgische Geruch, der uns an die besten Momente unserer Jugend erinnert, an Pommes mit Majo im Freibad – oder den Filmriss nach einer durchzechten Nacht im Schnellimbiss um die Ecke. Die erste Hauptstadt der Welt, die überall nach Curry 36 riecht!
Fast-Food-Betreiber werden diese Entwicklung natürlich nutzen, um sich als „Hort der Energiewende“ hochzustilisieren. McDonald’s bietet einen „Save-the-Planet-Burger“ an – mit doppelter Portion Pommes „für die BVG“. Bald gibt es große Werbetafeln mit der Aufschrift „Ranzig ist das neue Sexy“ – ein Motto, das die Boomer-Generation bald darauf in Datingportalen verwendet, um „anschlussfähig“ zu bleiben …
Der Einsatz von Pommesfett als Treibstoff bleibt eine Herausforderung – schon wenn in der Schlange vor dem Fast-Food-Tempel nicht nur hungrige Nachtschwärmer, sondern auch jede Menge Doppeldeckerbusse auf ihre Betankung warten.
Das könnte wiederum zu einer neuen Marktlücke führen. Ähnlich wie in der Coronakrise, wo es auf einmal überall Teststationen gab, könnten „Pommesbuden“ für Busse an jeder Ecke aufpoppen, um den täglichen Bedarf der BVG zu decken. Hier entstehen Marktchancen, die Berliner Kleinunternehmern eine goldene Zukunft versprechen. Aber wohl auch Betrüger anlocken, die gar keine Pommes frittieren, sondern abgesaugtes Fett aus Schönheits-OPs hineinpanschen!
Ungeklärt sind nur die gesundheitlichen Konsequenzen. Muss die Gesundheitsbehörde einschreiten, weil Cholesterin zur Todesursache Nummer eins nicht nur bei umweltbewegten Berlinern avanciert, sondern auch bei Bussen?
Die BVG wird diese Entwicklung werbetechnisch geschickt aufbereiten. Der Slogan „Wir tanken den Duft von Berlin“ prangt bald an den Bussen – oder „Lieber ranzig im Ranzen als diesig mit Diesel“. Berliner müssen sich daran gewöhnen, dass Nahverkehr in Zukunft nicht nur grün, sondern auch fettig ist. Bis irgendwann Busse in einem Autarkie-Verlangen selbst zur rollenden Imbissbude mutieren – und „Pommes Rot-Weiß“ im Fahrpreis enthalten ist.
In diesem Sinne: Guten Appetit, Berlin
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Chin Meyer
Finanzkabarett
Der Wirtschafts-Satire-Podcast mit
Chin Meyer und Timo Wopp:
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