Der FRANNZ in der Kulturbrauerei kann bereits auf eine bewegte Vorgeschichte als Kulturclub und Musikstätte verweisen. Heute steht er mit Restaurant und Biergarten für mehr – musste sich diesen Ruf aber erst erarbeiten.
Manche kennen den FRANNZ vor allem, weil sie dort gerne mal im Biergarten sitzen. Er liegt zwar nah am großen Eingang der Kulturbrauerei in der Sredzkistraße, doch zurückgesetzt genug, um den Trubel auf dem Gelände nur im Augenwinkel mitzubekommen.
Verglichen mit anderen Biergärten der Umgebung ist der FRANNZ-Biergarten eher klein, überschaubar – vielleicht macht gerade das seinen Charme aus. Er ist unprätentiös aber so verlässlich wie der Schatten seiner großen, alten Linden. Im besten Sinne ein typischer „da-weiß-man-was-man-hat-Ort“.
Andere kennen den FRANNZ von den Tatort-Sonntagen, wenn sie dort die jeweils neueste Folge der Krimireihe gemeinsam Live verfolgen. Das ist ein mittlerweile fast schon institutionalisiertes Angebot des FRANNZ, das sehr gut angenommen werde, sagen Ingo Witzmann und Alex Knoke vom FRANNZ-Team.
Und das trifft auch auf weitere feste Veranstaltungsreihen zu, wie beispielsweise Lesungen, Electro-Swing und Tango-Abende, die ein Stamm-Publikum anziehen und sehr gut laufen.
Wieder andere verbinden mit dem FRANNZ das Restaurant. Dessen Küche kann man vermutlich als Mainstream bezeichnen, auch das im guten Sinne. Mittags Schnitzel und Pasta, Burger und Flammkuchen, also Bekanntes,
Schnelles und Kleines, auch die Currywurst, weil sie nachgefragt wird – aber eben alles gut zubereitet, so Witzmann.
In der Kulturbrauerei selbst und im fußläufigen Umfeld sind zahlreiche Büros, Firmen, Startups, Heimbüros – im Kiez wird gewohnt und gearbeitet. Abends bietet das FRANNZ-Restaurant dann Pfiffiges und Gehobenes, etwa „geschmorte Ochsenbäckchen“.
Auch mit der Auslastung des Restaurants zeigt sich der langjährige Geschäftsführer Witzmann zufrieden – vor allem weil das in den vergangenen 14 Jahren, seit er den FRANNZ mit betreibt, beileibe nicht immer so gewesen ist: „Es gab schon Momente, in denen wir vom Glauben abgefallen sind.“
Gemeint sind zurückliegende Durststrecken. Auch in den späten 00er und frühen 10er Jahren blieben die Besucher aus. Das lag Ingo Witzmanns Ansicht nach zum einen daran, dass viele im Bezirk und in der Stadt den FRANNZ lange Zeit Nacht-Location wahrgenommen hätten. Er war für die meisten ein Club mit Bühne, der mit Konzerten die Musikfans und mit Parties die Nachtschwärmer und Vergnügungssüchtigen anlockte, die an den Wochenenden scharenweise in die Kulturbrauerei strömen. Dass man dort unter der Woche und auch tagsüber essen, trinken und sich vielfältig kulturell versorgen lassen konnte, sei kaum bekannt gewesen, sagt Witzmann.
Zum anderen lastete auf dem gastronomischen Gesicht des FRANNZ einige Jahre die Narbe eines gescheiterten Versuchs, auf Masse und Touristen zu gehen.
In den 00er Jahren nahm – nach aufwändigen Umbauten – das „Leopold’s“ seinen Betrieb auf, ein bayerisches Brauhaus mit großer Küche für Massenabfertigung. Die Betreiber der gleichnamigen Kette hätten die Vorstellung gehabt, im seinerzeit megaangesagten Prenzlauer Berg würden genügend Busladungen jener Touristen landen, die sich auch in Berlin mit Brathähnchen, Weißbier und hellblau-weißer Schunkeligkeit abspeisen lassen.
Das klappte offenbar allenfalls punktuell, denn nach nur zwei Jahren war der Spuk vorbei – doch der Ruf dieses Teils der Kulturbrauerei war nachhaltig beschädigt und für eine Weile standen die Räume leer.
Diesen Zustand wollte die Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG), Besitzer des gesamten Areals mit allen Gebäuden, ändern. Im Zuge der Suche nahm die damals noch zum Bund gehörende TLG auch Gespräche mit Ingo Witzmann und Uwe Lippold auf.
Die beiden kannten das Gelände und dessen Entwicklung, da sie seit den 90ern als Geschäftsführer der Alten Kantine die Kulturbrauerei unmittelbar erlebten und mitgestalteten. Zudem verfügten sie dadurch über reichlich Erfahrung in Kulturveranstaltungsmanagement und Clubbetrieb.
„Die TLG wollte damals jemanden, der die Umbauten durch Leopold’s übernimmt und nutzt“, erinnert sich Witzmann. „Sie traten an uns heran, man kannte sich ja schon. Aber wir hatten uns mit der Alten Kantine auch verschuldet, das wollten wir hier nicht. Daher hieß es, Pacht und Konditionen verhandeln.“
Nachdem man sich einig geworden war (das war 2004), mussten Lippold und Witzmann auch ein Konzept für das Restaurant entwickeln, wobei ein Gastronomiegeschäft neu für sie war. Aber sie wollten das Restaurant unbedingt neu positionieren, um bei den Gästen jenes Vertrauen zurückzugewinnen, dass durch das Leopold’s verspielt worden war.
„Wir haben uns etwas sehr Anspruchsvolles ausgedacht, wollten ‚Slow Food – Fast Service’ bieten, also richtig kochen und mit Veranstaltungen im FRANNZ verknüpfen“, so Witzmann. „Dazu hat uns damals der Chef der Dehoga (Verband der Hoteliers und Gastronomen) sogar gratuliert. Und andere beispielsweise das Goya am Nollendorfplatz, kamen nach uns mit so etwas ähnlichem. Aber das half auch nichts. Als wir sahen, dass die Kellner mit den Gästen zur Küche gingen und ihnen das Konzept dort lang erklären mussten, wurde uns klar, dass es so nicht funktioniert.“
Es hat dann eine Weile gedauert, bis sie den richtigen Ansatz, die richtigen Leute, die richtige Teamgröße gefunden haben. Heute wissen sie sehr viel besser, wie man an diesem Standort, in diesem Bezirk die unterschiedlichen Publikumsschichten anspricht und im Wortsinn gut bedient. Gemeint ist aber auch, Angebot und Ansprache den Tagen und Tageszeiten anzupassen.
Ingo Witzmann: „Alles, was wir in der Gastronomie jetzt machen, ist vom Einzugsgebiet her kleiner gedacht, also hauptsächlich Leute, die hier arbeiten und wohnen, wenig Laufpublikum oder Touristen. Aber die kommen natürlich auch, wenn auch nicht mehr so viele.“
Beim sonntäglichen Streetfoodmarkt und zum Weihnachtsmarkt – Veranstaltungen, die vom FRANNZ mit veranstaltet und organisiert werden – kommen allerdings viele von überall her, weit über das Publikum aus dem heimischen Prenzlauer Berg-Kiez hinaus – auch viele Familien, da brummt es immer ordentlich.
Hört man Witzmann und Knoke zu, wird einem klar, dass sie den gastronomischen Aktivitäten des FRANNZ große Aufmerksamkeit widmen. Das verwundert nicht, denn die „von diesem Hähnchenbrater“ übernommene Küche ist relativ geräumig, mit ihr kann man einiges machen – aber man muss sie dann auch auslasten. Von den 90 bis 100 Beschäftigten des FRANNZ sind die meisten für Ausschank und Biergarten, Küche und Service dabei. Zudem kann eine gut laufende Gastronomie als Kerngeschäft dienen, das die Schwankungen und Risiken ausgleicht, die beim Konzert- und Veranstaltungsgeschäft durchaus üblich sind.
Diese Betonung oder gar Priorisierung der Gastronomie mag jene wundern, die den FRANNZ nach wie vor als Musik- und Nachtclub sehen. Und für Alex Knoke, der für das Booking von Konzerten und Events zuständig ist, steht der primäre Charakter des FRANNZ als Veranstaltungsort auch keineswegs zur Disposition.
Im Gegenteil: Sein Anspruch und der vom Geschäftsführer Witzmann ist, rund um das Jahr Programm zu machen, im Schnitt 10 Konzerte pro Monat.
Davon ein etwas größerer Teil durch externe Konzertveranstalter, die sich im FRANNZ einbuchen. Ihnen will er optimale Bedingungen bieten. Pluspunkte sind dabei unter anderem die eigene Küche für das Künstler-Catering und die Zufahrt für Tourbusse und -Laster bis an die Club-Türen.
Einen etwas kleineren Anteil an Konzerten veranstaltet der FRANNZ auch selbst, so Knoke. Als Höhepunkte der eigenen Konzerte nennt Knoke jene mit Poems for Laila, Die Art, Sam Smith und Richard Ashcroft. Das sind tolle Abende gewesen, lässt der „Booker“ mit erkennbarer Freude durchblicken: gut besucht, geschäftlich erfolgreich und künstlerisch wertvoll.
Gerade mit den Live-Konzerten, die stilistisch eine große Bandbreite aufweisen, will Knoke auch eine Brücke zum historischen Erbe des FRANNZ schlagen.
Seinen Anfang nahm dieser Ort bereits 1970, als der Kulturklub für Jugendliche von Erich Franz gegründet wurde. Weitgehend in eigener Regie (aber gefördert von staatlichen Stellen) bauten die damals Aktiven in den reichlich heruntergekommenen Räumen der einst zu Schultheiß gehörenden Brauerei einen Ort für Musik und Jugendkultur auf, der im Laufe der folgenden Jahre zu einer Ostberliner Institution werden sollte.
Ein wichtiger Ort für die DDR-Rockmusik aber auch für Familien, denen Frühstück und viele kulturelle Aktivitäten geboten wurde – und das in einer rundum guten Atmosphäre. So würden es sich jedenfalls jene erzählen, die dabei waren. Auch Ingo Witzmann kannte den Fran(n)z zu DDR-Zeiten aus eigenem Erleben.
Der Kultcharakter des Erich Franz konnte offenbar über die Wende gerettet werden. Denn schon kurz nach der Vereinigung – als das Gelände von der bereits erwähnten TLG übernommen wurde – fand sich ein ebenso großes wie buntes Bündnis an Künstlern, Kunstaktivisten und Alternativen zusammen. Unter ihnen auch respektierte Größen wie Tamara Danz aber auch Zugezogene, denen es nach Freiräumen für Kunst und Leben dürstete.
Sie alle begannen unter dem verbindenden Motto „Kultur braucht (T)Räume“ das riesige, verzweigte und fast vollständig unter Denkmalschutz stehende Gelände im doppelten Sinne des Wortes kreativ zu „bespielen“.
Das galt auch für das Erich Franz der 90er Jahre, in dem ein Großteil der Mannschaft weitermachte, die schon zu DDR-Zeiten für dessen Flair gesorgt hatte. Doch beherrschend war die kulturgebraute Mischung aus Freiheiten und Aufbruch, es war die Ära der Wild-Ost-Kultur.
In der Kulturbrauerei mit trashigen Formaten und zusammengeschustertem Interieur, immer wieder neuen Kollaborationen und einem sandigen Innenhof, der bei schlechtem Wetter zu wahren Schlammschlachten führte.
Bis dann 1997 der Bruch kam, als die TLG entschied, Gebäude und Gelände gründlich zu sanieren und stellenweise radikal umzubauen – bis hin zu Tiefgaragen.
„Da ging das gesamt alte Fran(n)z-Team weg“, erinnert sich Witzmann. Der einst so kultige Laden fiel regelrecht in sich zusammen und lag mehr oder weniger brach, woraufhin der erfolglose Brauhaus-Betreiber den Geist des alten Fran(n)z fast endgültig vertrieben hätte – aber eben nur fast.
Seit 2004 lenken Lippold und Witzmann sowie Knoke die Geschicke des FRANNZ. Und sie erklären das zweite „n“ im Namen damit, dass sie zwar einerseits an die Tradition des Erich Franz anknüpfen wollen, sich aber anderseits nicht dessen Rufs bemächtigen wollten.
Sie haben versucht, zu den ehemaligen Franz-Machern Kontakt aufzunehmen, doch das sei aus verschiedenen Gründen schwierig gewesen. Vielleicht lag es auch daran, dass durch die Umbauten der Gesamtcharakter etwas anders ist als früher. Und das bringt neue Formate und Ideen hervor.
Jetzt sind es vor allem die Veranstaltungsreihen, die den Jahreskalender des FRANNZ prägen und als verlässlich gelten, so Programmchef Knoke. Etwa die Nerd-Nächte mit Sarah Kuttner, der „Peace, Love & Poetry“-Slam oder die 80er-Jahre Parties. Stellvertretend für die erfolgreich laufenden Reihen nennt er auch die Star-FM-Party und die Single- und Kuppel-Party-Reihe „Fisch sucht Fahrrad“. Diese startete einst in Kreuzberg, wechselte dann nach Mitte, hat dort aber sukzessive an Zuspruch verloren. Seit sie im FRANNZ stattfindet, ging es mit ihr wieder bergauf, was aber auch seine Zeit brauchte.
Doch daraus gewannen Knoke und Witzmann einmal mehr die Erkenntnis, dass es für einen Laden wie den FRANNZ wohl genauso auf Beharrungsvermögen wie auf Anpassungsfähigkeit ankommt. In Berlin wandert „die Szene“ – und mit ihr gewisse Publikumsströme – sowieso schon immer unablässig von einem angesagten Kiez zum nächsten. Und auch die erfolgreichen Formate wandeln sich in Zyklen, die heute aber kürzer sind als früher.
Umso wichtiger ist es, einerseits auf Stammpublikum und Besucher aus dem unmittelbaren Umfeld zu setzen, denen man sowohl Verlässliches als auch immer wieder mal was Neues anbietet. Andererseits muss man die Strahlkraft einer gut eingeführten Location für Konzerte, Parties und Kulturveranstaltungen bewusst erhalten.
Mit dem über die vergangenen Jahre systematisch entwickelten Dreiklang „Ausschank Club Biergarten“ scheint der FRANNZ im Konzert der Veranstaltungsorte und Gastronomie-Locations seinen ganz eigenen Sound gefunden zu haben. ■
Henry Steinhau
Henry Steinhau ist freier Journalist in Berlin. Er interessiert sich insbesondere für Musikläden und Clubs und deren Geschichte. Im September erscheint sein Buch über das „Quartier Latin“, dem legendären Musikladen im Westberlin der 70er und 80er Jahre, das er zusammen mit Marco Saß geschrieben hat und vom L+H Verlag veröffentlicht wird. www.quartierlatin-berlin.de