Oliver Kalkofe über sein neues Buch, über Politikverdrossenheit, Sorgen und Hoffnungen

Text: Silke Schuster

Sein Name steht in der deutschen Medienlandschaft für bissigen Humor, treffsichere Satire und unverwechselbare Parodien. Seit Jahrzehnten begeistert Oliver Kalkofe als Schauspieler, Komiker, Satiriker, Kabarettist, Hörbuch- und Hörspielsprecher, Moderator und Kolumnist ein breites Publikum und legt dabei stets den Finger in die Wunde des Zeitgeists. Bekannt ist er unter anderem durch seine Sendungen Mattscheibe oder SchleFaZ. Ob vor der Kamera oder auf der Bühne – Oliver Kalkofe hält seinem Publikum mit feinsinnigem Humor und doch respektvoll den Spiegel vor. Sein neues Buch Sieg der Blödigkeit erschien einen Tag vor der US-Wahl, war thematisch ungeplant ein Volltreffer und hat es inzwischen auf die SPIEGEL-Bestsellerliste geschafft.

In seinem Buch Sieg der Blödigkeit nimmt Oliver Kalkofe einmal mehr kein Blatt vor den Mund. Mit gewohnt scharfem Blick analysiert er die Auswüchse der modernen Gesellschaft, von der Macht der Dummheit in den Medien bis hin zu den absurden Verirrungen des Alltags. Er schrieb das Buch aus dem dringenden Bedürfnis heraus, ein klares Zeichen gegen die zunehmende Verrohung des Diskurses, die Verbreitung von Fake News und den Triumph der Oberflächlichkeit zu setzen. Es ist eine scherzhafte, aber auch nachdenklich stimmende Abrechnung mit einer Zeit, in der Lautstärke und Provokation oft mehr zählen als Vernunft und Argumente. Mit seinem Buch möchte er dazu einladen, innezuhalten, die eigenen Standpunkte zu hinterfragen und nicht zuletzt über den Wahnsinn unserer Zeit herzlich zu lachen – denn Humor, so zeigt er, ist auch in turbulenten Zeiten eine mächtige Waffe gegen die Dummheit. Doch dass „die Albtraumvision, die ich im Buch aufgreife, Realität werden würde, das hätte ich nicht gedacht“, gibt der Buchautor zu. Er blickt auf sein heftigstes Jahr zurück, das zu Beginn das ruhigste seit langem werden sollte. Dann kam es Schlag auf Schlag: JENKE. Zeitreise, Das Duell um die Geld, Podcast Kalk & Welk und anderes mehr. Ein Buch zu schreiben war zunächst nur ein leiser Hintergedanke gewesen. Das Schreiben sollte ruhigere Zeiten füllen und endete in einem Sprint durch unzählige Nächte.

Sorgen vor den Strömungen unserer Zeit

So humorvoll Oliver Kalkofe Bedenken und Wahrheiten in seinem Buch verpackt, so ernsthaft und groß sind seine Sorgen: „Dass Trump einmal an die Macht kommt, kannst du noch als Unfall durchgehen lassen, aber das zweite Mal ist Vorsatz. Dafür kannst du dich nicht entschuldigen. Und das nach allem, was der Mann gemacht und gelogen hat. Das verstehe ich nicht. Ich verstehe auch nicht, dass selbst Menschen wie die Latinos, Schwarze und Frauen ihn wählen, obwohl sie wissen müssten, dass er nicht ihr Freund ist“, Oliver Kalkofe reiht sich ein in die Riege der Erschütterten. Einen Punkt empfindet er aber fast als noch schlimmer: „Die Personen mit eher menschenfeindlichen Tendenzen, die sich selbst überhöhen, das sind überwiegend ‚die‘ weißen Männer, ob alt oder jung.“ In seinen Augen haben diese Männer Oberwasser. Die größte Gefahr sieht er nicht unbedingt in Trumps künftigen Handlungen, von denen einige – so seine Hoffnung – durch gewisse Regularien aufgehalten oder zumindest gebremst werden könnten. Viel schlimmer sei seine Angst vor Übergriffen von Menschen, die sich nun im Recht wähnen und ihre vermeintliche Macht ausüben wollen: „Menschen, die jetzt glauben: Ich darf das, du bist weniger wert, ich kann dich fertig machen. Alles, was an Rassismus und Sexismus bei vielen im Kopf rumgeht, gerade auch bei Menschen, die der Brutalität nicht abgeneigt sind. Das ist verdammt gefährlich, denn die Unterdrückten werden es immer nur eine bestimmte Zeit mitmachen. Irgendwann wehren sie sich, und das kann zu großen Unruhen führen – was ich alles nicht hoffe …“

Oliver Kalkofe im Interview

Die Sorge über die US-Wahlergebnisse trifft auf die Sorge über den politischen Zustand in Deutschland. „Das Schlimme ist“, so Oliver Kalkofe, „wir sind schwach. Ich bin von der Ampel echt enttäuscht. Ich bin von der FDP extrem enttäuscht. Als es losging, hatte ich ehrlich Hoffnung, nach diesen Jahren der Einlullung von Seiten der CDU, mit der GroKo usw. Ich dachte: Jetzt kommen drei zusammen, die sich eigentlich nicht verstehen, aber die können uns jetzt beweisen, dass man mit Vernunft und Willen Kompromisse finden und etwas erreichen kann.“ Der zunehmende Streit in der Ampel machte offensichtlich, dass es nicht geht. „Und leider“, so der Satiriker, „war die FDP mal wieder der Bremsklotz. Das kann man nicht anders sagen. Auch wenn sie ihre Prinzipien verteidigt hat, die Kompromisslosigkeit war zu spüren. Am Ende ist das so tragisch, weil sie den Beweis liefert, dass Demokratie und vernünftiges Miteinander innerhalb der Partei nicht funktionieren. Das Scheitern gibt jenen Aufwind, die schon immer behauptet haben, dass es nicht geht. Auch die CDU enttäuscht mich gerade extrem, einfach nur durch ihre Art, wie sie vorgeht, diese Rhetorik, alles ist Anti und dagegen. Die Grünen verteufeln die letzten Demokraten, die wir noch haben mit SPD und auch FDP, aber sich die als Erzfeind zu machen, während Sahra Wagenknecht und die AfD anklopfen – was soll denn das werden? Und was ich auch mal sagen muss: Der Einzige, der nach dem Ampel-Aus versucht hat, so etwas wie Vernunft in die Situation zu bringen, war Habeck. Egal, was du von ihm hältst, den kannst ihn oder seine Meinung doof finden, aber er hat als Einziger nicht die Nummer geschoben wie die anderen. Ihn und die Partei zu verteufeln, ist aus meiner Sicht falsch.“

Es sei alles so ermüdend und zeige im Großen, dass es weltweit an Menschen fehlt, die in der Lage sind, politisch besonnen, zielgerichtet und kompromissbereit, kommunikationsfähig und im sozial gerechten Sinne zu regieren. Der Wunsch ist groß, es möge jemand auf der politischen Bühne erscheinen, der es hinbekommt, alles zusammenzuhalten und auf Kurs zu bringen. „Es fehlen Führungspersönlichkeiten, denen ich das abnehme. Es gibt nur noch diese Parteipolitik, die auf verschiedene Arten gespielt wird. Wir brauchen jetzt Menschen, die zeigen, dass man miteinander etwas erreichen kann, das positiv ist. Menschen, die irgendeine Form von Optimismus versprühen und nicht immer verbohrter und kompromissloser werden und dabei auf alle anderen schimpfen.“ Oliver Kalkofe ist der Meinung, dass diese Art Politik zu betreiben, dazu führe, dass Menschen anfangen, Diktatoren wieder zu mögen. „Nach dem Motto: Dieses ganze Gelaber kann ich mir nicht mehr anhören. Dann holen wir einen, der auf den Tisch haut. Je komplexer die Weltlage wird und je schwieriger es ist, Probleme zu lösen, desto mehr wünscht man sich einfache Antworten“, so erklärt sich der Schauspieler die Zusammenhänge.

Hat die Blödigkeit einen Sieg eingefahren?

„Es ist auf jeden Fall ein Etappensieg“, meint Oliver Kalkofe. „Im Buch beschreibe ich das als ein mentales Einlullen, sei es durch Social Media, Internet, Fernsehen, Streaming, ganz egal. Anders willst du dich gar nicht mehr informieren. Es reicht dir, weil du so mit Informationen und Pseudoinformationen zugeballert wirst. Entertainment, Politik und Meinungsmache vermengen sich in einer derartigen Form, dass es gar keine Chance mehr gibt, das voneinander zu trennen.“

Die Faszination an unterhaltsamen Clips ist groß, die Ablenkung von Sorgen und Weltproblemen willkommen. Gleichzeitig leiden viele Menschen unbewusst an dem sogenannten Overchoice-Effekt: Ständig stehen wir vor zig Optionen und damit vor weiteren Entscheidungen, die das Gehirn irgendwann überfordern. Diese Überlastung kann ein Grund für das Phänomen sein, das um sich zu greifen scheint: „Die Zündschnur der meisten Menschen ist so kurz geworden, dass es oft gar keine Zündschnur mehr gibt.“

Eine kurze Zündschnur gesellt sich zu einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne. „Der Mensch gewöhnt sich sehr schnell um und ist konditionierbar. Wir haben es geschafft, innerhalb von kurzer Zeit die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen runterzubringen. Damals im Radio habe ich es ja mitbekommen“, plaudert Oliver Kalkofe aus dem Nähkästchen, „Ende der 90er lautete plötzlich die Devise: Kein Wortbeitrag darf mehr länger als 90 Sekunden sein. Eine Begründung gab es nie. Es ist alles erfunden, das hat einfach mal irgendwer behauptet, und alle haben es mitgemacht.“ Unzählige Kanäle mit einer Flut von Informationen, die wahr oder falsch sein können, eine Fülle an Videos, die den Menschen Probleme einreden, damit sie von den vermeintlichen Lösungen profitieren. Wo die einen von Inspiration reden, sprechen die anderen von Manipulation. Gerade junge Menschen neigen dazu, sich mit anderen zu vergleichen: „Es hat sich pervertiert in der Zwischenzeit, dass die jungen Menschen gar keine Möglichkeit mehr haben. Du wirst zugeballert von Influencern, die dir ein Leben vorgaukeln, das es nicht gibt. Es geht um Schönheit, Optik und irgendwelche Produkte, die aus irgendeinem Grund gehypt werden. Gerade ist es die Dubai Schokolade, dann ist es irgendeine Tasche. Ob du jetzt diese bestimmten Turnschuhe hast oder nicht, ist für dein Leben total irrelevant. Aber es wird zum Lebensinhalt, und du kommst aus dieser Zwangssituation gar nicht mehr raus.“ Besonders in den sozialen Medien werden Ideale „vorgelebt“, die an der Realität vorbeigehen, aber bei denjenigen, die konsumieren, Druck aufbauen können. Viele der Follower jagen Vorstellungen hinterher, die sie weder erreichen können noch müssen. „In die Freiheit eingreifen will natürlich auch niemand. Aber ich finde, die Leute müssen dazu gebracht werden, selbst nachzudenken.“ War früher alles besser, wie Menschen der älteren Generation gern suggerieren? „Das ist genauso gelogen und falsch“, findet der Schauspieler, „wir waren dankbarer für das, was wir hatten. Besser war es nicht, aber es war anders, es war überschaubarer. Es gab weniger Möglichkeiten, falsch zu entscheiden.“

Zu den Social-Media-Trends kommt eine Fülle an oberflächlichen TV-Formaten wie die zahlreichen Dating-Reality-Shows. Oliver Kalkofe hat der übers Fernsehen präsentierten Generation die Bezeichnung „HORST“ aufgedrückt. Die Abkürzung steht für „hackedoof“, „oberflächlich“, riemig“, „selbstverliebt“ und „tätowiert“. Dabei denkt er an Formate wie Love Island oder Temptation Island – stark tätowierte Männer, die sich selbstbewusst präsentieren, und Frauen in Pornopuppen-Ästhetik, die sich alles aufschwatzen lassen. „Viele junge Menschen gucken diese Dating-Formate mit Bumsen. Du kannst nicht alles zeigen, aber es werden halt ruckelnde Bettdecken mit Nachtsichtkamera in Schwarz-Weiß gezeigt und wer mit wem. Dann wird geredet, sie müssen sich wieder trennen. Dann nehmen sie den anderen und streiten sich. Dann sind sie eifersüchtig. So geht das die ganze Zeit. Du kommst aus einem dieser Formate und hast dich besonders verhaltensauffällig benommen, dann kommst du ins nächste Format und machst dort wieder Drama. Das ist so ein Kreislauf, es sind so viele Leute, die aus dieser Promiblase kommen.“

Oliver Kalkofe hat den Eindruck, dass gerade in der jungen Generation der soziale Gedanke abhandengekommen ist. „Dieser Gedanke von ‚Wie kann ich helfen?‘ ist ganz schön zurückgegangen. Das hat sich wirklich komplett gedreht, und ich weiß auch noch nicht, wie sich das wieder umändern lässt.“ Ging es uns zu lange gut und jetzt zu schlecht, sodass keine Kapazitäten mehr frei sind für ein echtes Miteinander? „Ich bin davon überzeugt, dass es uns zu lange zu gut ging. In den 90ern war auch nicht alles toll, aber es herrschte Optimismus. Die Mauer war weg, der Kommunismus schien als Diktatur mehr oder weniger besiegt. Mit den früheren Feinden, den Russen, hat man gesprochen. China, das vorher ein bisschen als Entwicklungsland galt, wurde plötzlich Industriemacht. Und man dachte, mit denen käme man gut zurecht. Der Grundtenor war: Schluss mit Kriegen, so blöd sind wir nicht nochmal.“ Und nun stehen wir wieder da.

Grat zwischen Lüge und Wahrheit, zwischen Wissen und Glauben ist schmal geworden mit all den verfügbaren Kanälen und Quellen. „Über das Dritte Reich sagt man: Ein Teil hat es gewusst, ein Teil hat es geahnt. Aber heute könnte das nicht mehr passieren, weil wir jetzt vernünftiger sind und die Wahrheit verbreiten können.“ Im Grunde steht den Menschen das Wissen der Welt über das Internet offen. Alles könnte möglich sein. „Aber dann merkst du: Niemand will das haben. Geh mir weg mit der Wahrheit! Im Gegenteil ist es doch viel lustiger, sich seine eigene Wahrheit zu erfinden. Jeder kann zum eigenen Sender werden. Es existiert keine objektive Wahrheit mehr. Früher gab es gewisse Quellen, die du akzeptiert hast, wie Bücher oder bestimmte Zeitungen. Es war überschaubar. Trump hat gezeigt, dass du mit einer Lüge durchkommst. Er zeigt, dass eine Lüge zur Wahrheit wird, wenn du sie nur oft genug behauptest. Und wenn du nie zugibst, dass es eine Lüge war. Damit hast du gewonnen.“

Brücken bauen in einer gespaltenen Gesellschaft

Die Pandemie, die damit einhergehenden Beschränkungen und der Impfdisput haben ihren Anteil an der gesellschaftlichen Spaltung, die fortzuschreiten scheint.

„Die ganze Nation ist voller Risse“, findet Oliver Kalkofe, „und du hast nichts, um die Risse zu glätten. In der Politik ist keiner bereit dazu, habe ich das Gefühl. Alle sind eigentlich nur dabei, es immer schlimmer werden zu lassen, weil sie meinen, dadurch im Vorteil zu sein.“ Doch wer wird die Gesellschaft wieder mehr verbinden? „Es wird kein Messias kommen, der das alles regelt.“ Es klingt desillusionierend, und doch braucht es Hoffnung. „Es ist die Hoffnung auf eine oder mehrere Personen, die wenigstens versuchen, wieder auf versöhnende, vernünftige Art mit den Menschen zu reden. Dazu gehört dann aber auch, dass man aufnahmefähig ist. Das ist der Punkt, wo es schwierig wird. Wir sind alle Teil des Problems und Teil der Lösung.“

Kalkofe Buch Sieg der Blödigkeit

Zur Lösung gehört auch, die eigenen Gedanken und Handlungen zu reflektieren. Dazu gehört aufzuhören, mit dem Finger aufeinander zu zeigen und sich gegenseitig zu bekriegen, sondern darüber nachzudenken, wie wir eigentlich miteinander umgehen möchten. Was bedeutet es, wirklich zuzuhören und der Meinung anderer Raum zu geben? Wie lassen sich Respekt und Toleranz kultivieren? Wie können ernsthafte Kompromisse aussehen? Wie sehen verständliche, nachvollziehbare Erklärungen für Entscheidungen aus? „Bei der Trump-Ära sehen wir: Themen wie Umweltpolitik oder Klimaschutz sind passé. Auf der anderen Seite kleben sich Menschen auf die Straße oder stechen die Reifen von SUVs auf. Das ist alles nicht hilfreich. Du musst die Leute irgendwie davon überzeugen, dass du vernünftig bist und ein Miteinander statt eines Gegeneinanders anstrebst. Das ist natürlich schwierig.“ Trotz allem ist der Satiriker optimistisch genug zu hoffen, dass uns etwas Besseres erwartet


Infobox

Oliver Kalkofe

Sein Ruf: Deutschlands schärfster Medienkritiker!

Oliver Kalkofe wurde 1965 in Hannover geboren und ist in Peine aufgewachsen. Nach einem Publizistik-, Anglistik- und Germanistik- Studium in Münster machte der gelernte Fremdsprachenkorrespondent in der sonntäglichen Kultshow FRÜHSTYXRADIO des niedersächsischen Radio-senders FFN erstmals als Comedian mit seinem
respektlos bissigen Humor auf sich aufmerksam.

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Oliver Kalkofe Portrait

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