Die Architektinnen Irene Mohr und Karin Winterer realisierten das Leuchtturm-Projekt und erwarben kurze Zeit später das leere Baugrundstück nebenan. Sie gründeten 2009 die Genossenschaft „Innerstädtisch Wohnen“ und suchten nach Mitstreitern, die hier ein generationsübergreifendes Zuhause im Prenzlauer Berg finden wollten. Sie fanden sich. Heute leben in den 30 Wohneinheiten etwa 70 Personen, der jüngste Bewohner ist ein paar Wochen alt und unterhält den Hinterhof. Um in die Genossenschaft einzutreten sind unter anderem ein genossenschaftlicher Pflichtanteil und ein Eintrittsgeld zu zahlen. 12 Euro Warmmiete zahlen die Bewohner, der eingezahlte Genossenschaftsanteil beträgt 643 Euro pro Quadratmeter. Die Prinzipien der gemeinsamen Waschküche, des Gästezimmers und des Gemeinschaftsraumes haben sich auch hier bewährt. „Eine Waschmaschine in meiner kleinen Wohnung? Das will ich mir gar nicht vorstellen“, sagt Ayla, die seit 2010 zum Projekt „Pappel44“ gehört. Auch die Dachterrasse, von der man die S-Bahn vorbeirauschen sieht, sowie die Werkstatt gehören allen. Gemeinsames Kochen, Filmabende oder Public Viewing zur Fußball-Europameisterschaft – Gemeinschaft ist in beiden Mehrgenerationshäusern möglich, aber kein Muss. In der Pappelallee 44 trifft sich die Sport-AG jeweils ein Mal pro Woche zur Gymnastik und zum Yoga, dienstags wird gekocht. Um die Eigenverwaltung der Genossenschaft zu erhalten und im Austausch miteinander zu bleiben, finden in regelmäßigen Abständen Workshops und Treffen statt.

Ein Mehrgenerationenhaus wird erwachsen

Beide Wohnhäuser wurden nach nachhaltigen und ökologischen Prinzipien konzipiert und gebaut. In der Pappelallee 43 ist man durch eine Erdwärmeinstallation, Solarkollektoren und die Wärmerückgewinnung nahezu unabhängig von externen Energiequellen. Das „Pappel44“ ist unter anderem durch eine optimale Dämmung, wärmebrückenfreie Konstruktionen, hohe Winddichtigkeit und zugluftfreie Lüftung ein Niedrigenergiehaus nach KfW-40-Standard. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach, ein Gas-Blockheizkraftwerk und eine Gas-Brennwerttherme liefern Warmwasser und bei optimaler Ausnutzung auch Strom. Zu den Wohnhäusern gehören auch die gemeinschaftlich genutzten Gärten. Gepflegt werden sie in Eigenleistung, Bewohner können sich in der Garten-AG engagieren. Auch kleinere Reparaturen werden von den Hausbewohnern durchgeführt, die eigens dafür erstellte „Fahrradschuppen-AG“ baute eine Überdachung für Fahrräder und Roller. Genauso gibt es verschiedene Arbeitsgruppen für Bereiche wie Finanzen und Verwaltung. Mit steigendem Alter der Mehrgenerationshäuser verändern sich auch die Strukturen. Eigenverwaltung ja, aber bitte professionell. Erste Instandhaltungsmaßnahmen stehen an, die die Bewohner nicht mehr allein bewältigen können. Nun müsse man es zulassen, die Eigenverwaltung für Externe zu öffnen und Aufgaben abzugeben, erzählt Ingrid Vetter. Die Eigenleistung hat auch seine Grenzen, das müsse man akzeptieren. Ein Mal im Jahr treffen sich alle Leuchtturm-Bewohner im Brandenburgischen, um Schwerpunktthemen an einem Workshop-Wochenende miteinander zu diskutieren. Dabei gehen die Meinungen unter den Genossenschaftlern auch einmal auseinander. „Ein Konsens ist nicht immer möglich“, weiß auch Ayla von nebenan. Das sei dann bitter für die, die zurückstecken müssen, aber es gehe manchmal nicht anders. „Das Leben in einem solchen Wohnprojekt ist kein Zuckerschlecken“, bestätigt auch Ingrid Vetter. Mit der Zeit kristallisiert sich heraus, welche Bewohner besser miteinander auskommen und welche unterschiedliche Ansprüche an ein solches Wohnprojekt haben. Man müsse lernen mit Brüchen umzugehen, resümiert sie, ohne das ganze Projekt in Frage zu stellen.

„Trotzdem kann ich mich blind darauf verlassen, dass immer jemand da ist und dass ich an jeder, wirklich jeder Tür klopfen könnte“, so die Seniorin. „Toleranz“, da sind Ayla und Ingrid sich einig, ist die Eigenschaft, die Genossenschaftler haben müssen. Ihr Mehrgenerationenhaus bezeichnen die Bewohner der Pappelallee 43 wie auch der Nummer 44 als „kleines Dorf“ – mit all seinen Vorteile und Nachteilen.