Gesellschaft Portrait

Roxana Samadi – Zwischen zwei Welten

Roxana Samadi ist eine 20-jährige, kreative Powerfrau, die weiß, was sie will. In der Kölner Schauspielerin mit halb deutschen, halb persischen Wurzeln steckt ein Sprachtalent mit vielseitigen Interessen. Wir hatten großen Spaß an unserem gemeinsamen Gespräch im mein/4-Studio, denn ihre natürliche Art und ihr Elan sind unglaublich sympathisch und ansteckend.

Sie spricht Deutsch und Persisch, Englisch und Französisch, Spanisch, Aserbaidschanisch und Türkisch. Bei so vielen Sprachen kann man schon mal durcheinanderkommen. Sie spielt Trompete, singt leidenschaftlich gern und möchte wieder Klavier lernen. 2014 war sie die Synchronstimme von Findus in der Filmtrilogie Pettersson und Findus. Sie ist Schauspielerin und Comedian, und sie schreibt eigene Texte. Ihr Kopf steckt voller Ideen und Interessen. In ihren 20 Lebensjahren hat Roxana Samadi schon viel erlebt, ausprobiert und umgesetzt – die nächsten 20 Jahren werden sicherlich nicht minder vielfältig und produktiv.

Schauspielerei – vor und hinter der Kamera

In der TNT-Serie Para – Wir sind King verkörpert Roxana die junge Frau Rasaq Moussa, die mit ihren drei besten Freundinnen die Straßen Weddings unsicher macht. Sie alle träumen von einem besseren Leben. Die Aussicht auf großes Geld kann da schon verlockend werden … Eine Serie voller Klischees, die mit diesen wiederum bricht. „Ich hänge zwar mit der Clique ab, aber aus den Drogengeschäften halte ich mich raus. So viele Leute aus meinem Umfeld sagen, dass sie darüber froh sind“, lacht die Schauspielerin. Selbst ihre älteste Zuschauerin, eine Dame von 86 Jahren, sei glücklich darüber, dass sie in der Serie nicht dealt. 

Ihr Job verlangt viel Flexibilität. „Aber das ist das Reizvolle an dem Beruf“, erzählt uns Roxana, „man kann in so viele verschiedene Welten eintauchen. Und du erarbeitest ja eine Rolle für dich, da tauchst du auch total in die Psychologie des Menschen ein.“ Bereichernd finde sie letztlich genau diese Auseinandersetzung mit dem Menschen, in den sie sich hineinversetzt, mit seiner Vergangenheit und seinen Ängsten. Die Zuschauenden sehen natürlich das Ergebnis, sie erleben die Geschichte als sei sie echt, doch für die Schauspieler liegt das Besondere ihres Berufes an anderer Stelle verborgen: „Meiner Meinung nach beginnt die Arbeit gar nicht am Set, sondern die gesamte Arbeit passiert davor. Du streust die ganzen Samen, du wässert und düngst. Und am Set darf dann sozusagen die Blume aufblühen“, erklärt uns die Schauspielerin ihre Arbeit bildlich. Natürlich ist das Korsett einer Rolle recht strikt, da bleibt kaum Bewegungsspielraum. „Aber eine unserer kraftvollen Möglichkeiten als Schauspieler ist ja, dass wir zu einer Rolle Nein sagen können“, so Roxana.

Leben zwischen zwei Welten – eingefangen im Comedyformat

In Deutschland geboren und einen Stempel als „Ausländer“ aufgedrückt bekommen? Sei es wegen des Namens, wegen der Hautfarbe oder wegen eines nichtdeutschen Elternteils? Das kennen unzählige Menschen. Roxana ist einer von ihnen. In ihren Comedyclips nimmt sie ihr Leben zwischen zwei Welten humorvoll unter die Lupe, redet unter anderem über Migration, Diskriminierung, Rassismus. Die Spots sind erfrischend, ironisch und lustig, sie stecken voller Erfahrung und zeugen von Beobachtungsgabe. Die Texte ihrer Comedyeinlagen schreibt sie selbst: „Ich inszeniere sie auch selbst, ich bin beim Schnitt dabei, ich bin in der Postproduktion dabei, bei den Grafiken, auch bei den Sounds von A bis Z bin ich am Start. Dadurch mache ich mich natürlich auch angreifbar, weil ich mein pures Ich zeige.“ Sie erzählt von überwiegend positiven Rückmeldungen – dies zum Beispiel auch von Menschen aus Lateinamerika, die sich genauso mit ihren Inhalten identifizieren können und sich ebenso zwischen ihren verschiedenen Wurzeln hin- und hergerissen fühlen. „Aber klar, es gibt auch Iraner, die sich angegriffen fühlen, weil ich mich natürlich auch manchmal lustig mache und sie das nicht richtig einzuordnen wissen“, gibt die Comedian zu.

Roxana sollte mal für das Neujahrsfest eines iranischen Vereins in Köln moderieren. Auf „langweilige“ Moderation hatte sie aber keine Lust, sie wollte es lustiger gestalten. Das Ergebnis? „Die Iraner haben sich weggeschmissen“, berichtet Roxana vom Auftakt ihrer Comedy. Nach dem Abitur ging sie auf Reisen, wo sie viel schrieb. Mit zahlreichen Geschichten im Gepäck suchte sie nach ihrer Rückkehr das Gespräch mit WDRforyou. Seitdem tobt sie sich auf dieser Spielwiese aus. „Die lassen mich machen, und das ist das Coolste, was mir passieren kann“, schwärmt die Schauspielerin.

Migration muss normaler werden

Roxana wünscht sich, dass sich Geschichten wie ihre eigene vor allem in der Filmwelt normalisieren: „Ich finde, in dieser Kunstwelt wird das gesamte Thema Migration noch nicht als normal dargestellt. Es ist immer noch so ein riesiges Thema. Wenn dann eine Türkin vorkommt, darf sie keine blonden Haare haben, sondern muss braunhaarig sein. Denn sonst würde man ja nicht erkennen, dass es eine Türkin ist.“ In dieser Hinsicht wünscht sie sich eine Normalisierung in unserer Gesellschaft, doch der Anfang muss in den Köpfen der Menschen passieren. Die Serie Para macht es schon gut vor, wie die Darstellung von realen Klischees und das Brechen mit diesen aussehen kann. Und am Ende zeigt sich, dass im Grunde etwas ganz anderes zählt …

Roxana Samadi privat

Dass es die 20-Jährige in die Schauspielerei verschlagen hat, kommt nicht von ungefähr: Ihr Vater ist Regisseur, ihre Mutter Schauspielerin. „Lustigerweise wollten die beiden mich am wenigsten in dieser Branche sehen. Sie wollten mich immer davor behüten, aber jetzt freuen sie sich natürlich.“ Roxana ist glücklich, ihre Leidenschaft mit ihrer Familie teilen zu können, denn „das eröffnet in der Eltern-Kind-Beziehung noch mal eine ganz andere Ebene. Ich schreibe auch gerne mit meinem Vater zusammen und kreiere etwas mit ihm. Es macht sehr großen Spaß.“

Die Schauspielerin sagt von sich, im Privaten sehr ruhig zu sein. „Aber ich würde sagen, ich bin so ein Klebstoff der Familie, weil ich ein richtiger Familienmensch bin. Ich habe immer das Bedürfnis, alle bei mir zu haben“, sagt sie im Gespräch. Dabei ist ihre Familie praktisch auf der ganzen Welt verteilt und so groß, dass Roxana nicht mal weiß, wie viele Personen eigentlich dazugehören. Eine absolute Herausforderung, ein Familientreffen zu organisieren! „Die Seite von meiner Mama ist kleiner, aber die Seite von meinem Vater ist gigantisch. Teilweise treffe ich Menschen, die mich kennen, die ich aber nicht kenne; das sind meine Cousins. Aber ich liebe es, sie alle zusammenzubringen“, schwärmt sie von ihrer Großfamilie. Vor Corona hatte sich die Familie schon mal ein riesiges Haus in der Türkei gemietet: „Es war unfassbar groß und hatte viele Stockwerke“, blickt Roxana belustigt zurück. „Alles war voller Betten, und wir haben zum Teil auf dem Boden geschlafen. Da war auch viel improvisiert. Die Iraner sind darin richtig gut: Sie schichten Handtücher, und man liegt auf einem Königsbett. Alles war voll in diesem Haus. Man konnte gar nicht laufen, weil überall Menschen lagen.“ Ihre Begeisterung über solche Zusammenkünfte schwingt in ihren Erzählungen mit. Doch die andere Seite der Medaille ist, dass ein Treffen im Iran unmöglich wäre. „Mein Vater hat einen Film über die Wahlen 2009 gemacht. Seitdem kann er, politisch gesehen, nicht mehr hinreisen.“ In die Türkei kann die Familie auch ohne Visum reisen; nach Deutschland könnten nicht alle aus der Familie ohne Weiteres reisen.

Jetzt und in Zukunft – Pläne und Projekte

Aktuell plant Roxana einen Aufenthalt in New York, um drei Monate lang an der Lee Strasberg Schauspielunterricht zu nehmen, so Corona es zulässt. Auch vor Ort hat sie einen Coach, mit dem sie regelmäßig zusammenarbeitet. Kürzlich hat die Schauspielerin einen Kurzfilm gedreht zu einem Thema, das ihr sehr am Herzen liegt – das ihr vorab aber auch eine große Entscheidung abverlangt hat. „Es geht um Hinrichtungen im Iran. Das war echt ein heftiges Projekt, das auch extrem emotional war. Aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe.“ Nun wird sich zeigen, wie die Resonanz auf einen solch aufwühlenden Stoff ist. Demnächst steht für Roxana noch eine Rolle als junge Mutter mit Baby an. Darüber hinaus gibt es noch viele Rollen, die sie reizen würden, darunter auch „typische“ Klischee-Geschichten: „Ehrlich gesagt habe ich auch Lust auf so Klischee-Mädchen-Sachen, zum Beispiel würde ich super-gerne mal etwas mit Pferden drehen. Ich bin früher lange geritten und fand das richtig schön.“

Auch eine Rolle in einem Historienfilm kann sie sich gut vorstellen, genauso wie ein Projekt, in dem es um Musik geht. Neben Gesangsstunden hat Roxana ihre musikalische Ader in jüngeren Jahren schon am Klavier ausgelebt, doch sie gibt unumwunden zu: „Ich hatte acht Jahre lang Klavierunterricht und ich kann nichts mehr. Ich habe einfach nie geübt und meine Lehrerin ist verzweifelt, weil ich immer ohne irgendwas zum Unterricht kam und wir dann immer das, was eigentlich Hausaufgabe gewesen wäre, in der Stunde erarbeitet haben, damit ich dann wieder keine Hausaufgaben mache“, erinnert sie sich amüsiert. Das hindert sie aber nicht daran, davon zu träumen, es wieder neu zu lernen. „Wenn ich aus New York zurück bin und dann hoffentlich nach Berlin ziehe, möchte ich unbedingt mein Klavier mitnehmen und mir das wieder beibringen.“ Früher gehörte auch die Trompete zum Teil des musikalischen Lebens der Powerfrau. „In der fünften Klasse fand ich das irgendwie cool. Das war eine Phase, in der ich auch richtig gerne Jungenklamotten getragen habe. Ich wollte dann nicht Querflöte oder so ein ‚Mädcheninstrument‘ spielen, sondern Trompete lernen. Und das habe ich gemacht.“

© Fotos: Pavol Putnoki

Info

www.schwarzberlin.com/schauspielerinnen/roxana-samadi/

Roxana Samadi bei WDRforyou: www1.wdr.de/nachrichten/wdrforyou/arabisch