Poller oder Blumenkübel gegen Falschparker

Dem Zuparken der Radstreifen liesse sich durch Barrieren begegnen, etwa mit Pollern oder Blumenkübeln, das können sich die Fahrradaktivisten für bestimmte Strecken durchaus vorstellen. Allerdings müsste man hierbei einerseits auf genügend Spurbreite achten, sodass Radfahrende sich gegenseitig überholen können. Andererseits sollten Barrieren an Kreuzungen und Einmündungen auf keinen Fall die Sichtbeziehungen zwischen Autofahrer und Radfahrer behindern. Das „Übersehen“ der schwächeren Verkehrsteilnehmer gilt als Hauptursache für die vielen, oft tödlichen Abbiegeunfälle.

Während neue Konzepte diskutiert werden, arbeiten Stadt und Bezirk beschlossene Maßnahmen ab: sie schließen Lücken im Wegenetz, richten weitere Ampelanlagen und Radroutenschilder, sanieren Beläge. So wie jüngst in der Schönhauser Allee, wo die Radwege asphaltiert wurden. Laut Bezirksstadtrat Kuhn sei dieser einfacher zu verlegen und besser zu warten als Platten oder Pflastersteine. Zudem plane die SenUVK alle Radstreifen – zumindest auf den größeren Fahrradrouten beziehungsweise Fahrradstraßen – farblich zu markieren: grün und in den Kreuzungsbereichen rot.

Aspahaltieren wäre aus Sicht der Fahrradinitiativen aber auch auf Nebenstraßen mit Kopfsteinpflaster sinnvoll – und dringend geboten. Je holpriger der Belag, desto eher weichen viele Fahrradfahrer auf den Gehweg aus, was wiederum zu Konflikten mit Fußgängern oder auch der Bürgersteiggastronomie führt. „Daher steht das auch auf unserer Liste: Kopfsteinpflasterstraßen, die viel von Radfahrern befahren werden, etwa Dunckerstraße, Lychener oder Paul-Robeson-Straße, mit Fahrradstreifen zu asphaltieren“, so Varenka Halbig.

Das wiederum berge die Gefahr, zugleich Autofahrer anzulocken, die sich auch nicht gerne durchschütteln lassen, sagt Susanne Jäger. Daher sollte man mit solchen Teilasphaltierungen stets verkehrsberuhigende Maßnahmen mitdenken, etwa Einbahnstraßen oder Hindernisse. Dagegen sträube sich allerdings die Pankower Straßenverkehrsbehörde, mit Verweis auf die Straßenverkehrsordnung. Gleichwohl wolle der ADFC in dieser Richtung initiativ bleiben.

Neuer Schwung durch das kommende Mobilitätsgesetz

Bereits auf den parlamentarischen Weg gebracht ist das vom rot-rot-grünen Senat geplante Berliner Mobilitätsgesetz. Es soll neue Regelungen für den Fahrradverkehr enthalten und so auch den vielen, schon länger beschlossenen und budgetierten Radverkehrs-Bauvorhaben zu neuem Schwung verhelfen (siehe Kasten). Die Koordination der geplanten Maßnahmen soll eine Tochter der städtischen Gesellschaft Grün Berlin übernehmen, die gerade gegründet und mit einem ganzen Stab neuer Stadt- und Verkehrsplaner besetzt wird. Zudem teilte der Senat allen Berliner Bezirken zwei volle Stellen für Radverkehrsplaner zu. Pankow hatte sie im Sommer ausgeschrieben und Stadtrat Kuhn hofft, dass sie noch vor Ende des Jahres besetzt sein werden.

Auf die Frage, was sich die Fahrradaktivisten vom Radgesetz versprechen, antwortet Susanne Jäger: „Ein Radweg baut sich nicht durch ein Gesetz. Doch bisher war das Problem, dass die notwendigen Planungsprozesse auf mehreren Ebenen immer viel zu lange dauerten. Das Interessante am Gesetz wird sein, wie gut man Ansprüche anmelden kann.“ Damit zielt die Pankower ADFC-Sprecherin darauf ab, dass das Mobilitätsgesetz den Verbänden ein Klagerecht einräumen soll – mit dem sie gegen Verschleppungen oder Planungsdefizite angehen könnten.

Denn gewiss werden geplante Radspuren oder Fahrradstraßen nicht ohne Widerstände bleiben, etwa von Autobesitzern, Anwohnern, Gewerbetreibenden. Stadtrat Kuhn nennt als Beispiel den geplanten Fahrradstauraum im Rosenthal-Kiez: „Es geht dort um die Berücksichtigung einer bisher nicht vorhandenen Radverkehrsanlage auf dem letzten Bauabschnitt der Kastanienallee. Viele Anwohner dieses Teilstücks sind dagegen, Planungen und Investitionen wurden aber vom Bezirksparlament bestätigt. Es wird dazu weitere Bürgerversammlungen vor Ort geben.“

Aufgrund dieser Interessen- und Zielkonflikte sei eine möglichst breite Debatte erforderlich, wie die öffentlichen Straßenräume genutzt werden sollen, was dem Gemeinwohls diene und was Privatinteressen seien. Unter dem Stichwort „Flächengerechtigkeit“ sei zu diskutieren, wie viel öffentliche Verkehrsflächen den Autos zur Verfügung stehen sollen, insbesondere dem ruhenden Verkehr – und wieviel den Schwächeren, wie Fußgängern und Radfahrern. Susanne Jäger ergänzt: „Es geht auch um Umweltbelastungen durch Abgase und Lärm, um die Aufenthaltsqualität in der Stadt.“


GEPLANTE REGELUNGEN FÜR DEN RADVERKEHR IM „BERLINER MOBILTÄTSGESETZ“

Im sogenannten Referenten-Entwurf für ein „Berliner Mobilitätsgesetz“, der seit Anfang August vorliegt, finden sich zahlreiche Regelungsvorschläge zur Entwicklung des Radverkehrs. So sollen die Bezirksämter künftig von den bezirklichen „FahrRäten“ beraten werden und bei größeren Maßnahmen verpflichtet sein, diese mit ihnen abzustimmen (Paragraf 37). Im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten sollen zehn, im Folgejahr zwanzig und danach jährlich dreißig der für Radfahrende gefährlichsten Knotenpunkte entschärft und radverkehrssicherer werden (Paragraf 38). Zudem behandelt der Vorschlag einen umfassenden Radverkehrsplan, den Aufbau eines Radverkehrsnetzes, das Haupt- und Nebenstraßen berücksichtigt, sowie die Sanierung vorhandener Radverkehrsanlagen. Geplant sind mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen (pro Route mindestens fünf Kilometer) sowie die Öffnung von Einbahnstraßen und Sackgassen für den Radverkehr. Finanzieren sollen dies ausreichend zweckgebundene Personal- und Sachmittel des Landes sowie Gelder aus Bundes- und europäischen Förderprogrammen zur Förderung des Radverkehrs (Paragraf 50).
(Quelle: Entwurf zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung, Artikel 1, Berliner Mobilitätsgesetz, Stand 03.08.2017)