Wie kommen unsere Kulturschaffenden durch die Krise?
Wühlmäuse
Das Berliner Kabarett-Theater „Die Wühlmäuse“, 1960 von Dieter Hallervorden und einigen Schauspielkollegen gegründet, hat sich im Bereich der politischen Satire einen Namen gemacht. Domizil der Wühlmäuse ist der ehemalige Naafi-Club der britischen Besatzungsmacht. Bislang kam das Theater ohne Subventionen aus.
Wie ist die Stimmung in der Corona-Krise? Geschäftsführer Daniel Domdey hat uns Einblicke gewährt. Wohin mit 40 Shows im Monat, von denen 25 ausverkauft sind? Die Corona-Krise verlangt Flexibilität und Lösungen: Ersatztermine im Haus einbauen, erst einmal für den Herbst. Ansonsten eben für das nächste Jahr. Doch wer weiß schon, was kommt?
„Das Tödliche: Wenn du ausverkaufte Veranstaltungen hast, mit 500 Leuten drin, mehrere Tage am Stück, alles absagen sollst und die Zuschauer verlierst – das ist fatal!“, sagt Geschäftsführer Daniel Domdey. „Grundsätzlich ist der Ansatz vollkommen nachvollziehbar, zu sagen: Wie können wir möglichst schnell einen Weg finden, wieder aufzumachen und zu spielen? Da bin ich ganz dabei.
Nur: Was ist wirklich sinnvoll?“ – eine Frage, die sich nicht nur Daniel Domdey stellt. Denn jedes Haus hat eine andere Einlass-Auslass- Situation. Und wenn ein Haus wie die Wühlmäuse mit rund 500 Plätzen nur etwa ein Drittel der Plätze normal besetzen kann, ist das natürlich nicht lukrativ – vor allem nicht für jene Häuser, die ohne Subvention auskommen müssen. Angesichts der unterschiedlichen Konstellationen in den Spielstätten hegt Daniel Domdey große Zweifel an der Umsetzbarkeit der auferlegten Maßnahmen – erst recht, wenn man alle Eventualitäten bis zum Ende durchdenkt.
Eine Maßnahme in dieser Zeit ist die Aktion „ArtistsAgainstCorona“, die das Berliner Produktionsunternehmen STARKLFilm ins Leben gerufen hat. Vor leeren Publikumsrängen der „Wühlmäuse“ zeigen Künstlerinnen und Künstler Ausschnitte ihres aktuellen Programms. Mit dem Kauf eines virtuellen Tickets unterstützen die Zuschauer die Künstler in der Corona-Krise.
Gutscheinverkäufen steht Daniel Domdey, wie andere Veranstalter auch, skeptisch gegenüber. Auch wenn die Verkäufe den Häusern zu vorübergehender Liquidität verhelfen, so hätten die Kunden trotzdem nach anderthalb Jahren das Recht, ihr Geld einzufordern. Doch was ist, wenn es besagte Häuser zu dem Zeitpunkt nicht mehr gibt? Nun, dann wäre der Staat am Zuge. „Es ist eine schwierige Situation für alle.
Wo ist jetzt die Wahrheit? Wie soll es laufen? Wir brauchen eine Perspektive. Die nächsten Wochen werden es zeigen, wenn sich das Leben da draußen etwas normalisiert. Das wird ganz entscheidend dafür sein, wie das Leben dann auch in den Theatern wieder stattfinden kann“, fasst Daniel Domdey zusammen.
Chamäleon Theater
Von der Schließung ist auch das Chamäleon Theater Berlin betroffen, das sich mit zeitgenössischem Zirkus einen Namen gemacht hat. Es steht für eine junge, lebendige Kunstform – und in der aktuellen Situation vor großen Herausforderungen. Als das Chamäleon Theater am Freitag, den 13. März, seine Pforten schloss – einen Tag vor der offiziellen Verordnung –, ging das Team von einer vorübergehenden Pause bis vielleicht Ende April aus.
Durch die weiterhin geschlossenen Türen weht dem Theater zumindest seitens des Teams und der Gäste ein Wind aus Empathie und Wertschätzung entgegen. Die für die geplante Show aus Australien eingeflogenen und dort angestellten Künstler leben noch immer in Berlin: „Bei einer sechswöchigen Pause haben wir gesagt: ‚Es lohnt sich nicht, dafür nach Australien zu fliegen. Ihr bleibt hier.‘ Jetzt wissen wir, dass es die komplette Spielzeit betrifft. Das Stück wäre am 16. August abgespielt. Das heißt, die Künstler können die komplette Spielzeit nicht bei uns auftreten, können aber auch nicht nach Hause fliegen, weil ja auch der Flugverkehr eingestellt ist“, berichtet Geschäftsführerin Anke Politz. Sie sind nun eingeladen, bis Februar 2021 in Berlin zu bleiben, um die verpasste Spielzeit dranzuhängen. Denn „einen Showwechsel können wir uns nicht leisten“, so Anke Politz.
Wie überall, sind mit Ereignissen wie diesen persönliche Geschichten verknüpft. Den Familien der australischen Künstler hat Anke Politz zu Beginn der Krise Briefe geschrieben, um sie zu beruhigen und ihnen zu versichern, dass ihre Kinder in Berlin gut aufgehoben sind. Über das familiär lebende Ensemble der Künstler sagt sie: „Sie sind super! Sie tragen sich selbst, freuen sich, wenn sie für uns Videos machen können, wie sie trainieren. […] Unseren Künstlern hier ist bewusst, dass sie gerade Arbeit angeboten bekommen haben bis Februar 2021. Wir alle wissen zwar nicht, wie sie aussieht – ob das drei Shows pro Woche sind oder ob es vielleicht doch abgesagt wird. Aber erst mal gibt es eine Perspektive. Und sie sind in einem sicheren Land und gut versorgt. Das wissen sie zu schätzen.“
Das Theater hofft nun auf finanzielle Entlastung durch die Soforthilfe IV. Denn trotz Kurzarbeit laufen Kosten für Verwaltung und Miete weiter, die Auswirkungen werden erst auf längere Sicht spürbar sein – gerade durch den Wegfall von Gruppen wie Schülern während der Herbstferien oder Firmen zur Weihnachtszeit. Im Namen des gesamten Theaters appelliert Anke Politz an die Kulturpolitik, die unterschiedlichen Voraussetzungen der Häuser zu berücksichtigen und diese einzubinden: „Bei uns auf der Bühne können die Künstler zum Beispiel keinen Abstand halten. Diese Künstler sind aber wie ein Familienverbund. Wir können gewährleisten, dass sie nur unter sich bleiben, dass sie weder Kontakt zu Mitarbeitern haben noch zu Gästen.
Das ist in einem Orchester mit 80 Leuten etwas ganz anderes. Wir nehmen das sehr ernst und wollen sorgsam damit umgehen, aber wir wünschen uns keine starre Maske, die für unterschiedlichste Branchen und Häusergrößen gilt. Denn dann wird es wirklich schwer.“
Improtheater im Varia Vineta
Berlin lebt und liebt Improtheater! In Corona-Zeiten ist bei den unter dem Kurznamen BAB bekannten Improneta-Künstlerinnen Beate Schönwetter, Alexandra Winderfeldt und Bea Be Improvisation schon vor dem Auftritt angesagt. Denn es gilt, neue Umgangsweisen und Spielformen entstehen zu lassen, um ihre Kunst nahbar, aber auf Distanz weiterführen zu können.
Mitte März fiel von einem Tag auf den anderen alles weg: eine geplante Auslandsreise für das Goethe Institut, alle Shows. Nun stehen die Künstlerinnen und Anne Gröschel, die Leiterin des Theaters Varia Vineta vor der Aufgabe, einen neuen Weg des Spielens zu finden. Plexiglas auf der Bühne, um damit zu improvisieren? Auftritte nur noch vor Großfamilien? BAB und die Theaterinhaberin rechnen nicht mit einer Wiedereröffnung des Theaters vor dem 31. August, da eine Öffnung Vorlauf für all die nötigen Vorkehrungen braucht. Außerdem muss klar sein, dass sich die Kosten decken lassen, wenn die Schauspieler wieder aktiviert werden: „Dann lieber die Räumlichkeiten für Kindergeburtstage und Einschulungsfeiern vermieten. Denn in das Theater passen mit den Abstandsregelungen nicht viele rein“, so BAB.
Grundsätzlich schreckt das Team aber nicht vor Auftritten in kleinem Rahmen zurück: Die Improgruppe hat die Erfahrung gemacht, dass es ganz großartig sein kann, vor wenigen Menschen zu spielen. Eine Zwischenlösung für die aktuelle Zeit ist die Live-Präsenz auf Facebook, wo die Zuschauer auch Aufgaben bekommen. Aber das ist natürlich ein ganz anderes Spiel … zeitverzögerte Interaktion sozusagen. BAB ist davon überzeugt, dass Impro auch mit Abstand transportierbar ist.
Aber letztlich hängt das von jeder Theaterform ab, sodass ihre Empfehlung ist: „Es sollte für jedes Theater individuell geguckt werden.“ Ein Anfang wäre, Kurse im Freien anzubieten. Dort, wo die Abstandsregeln leicht umzusetzen sind und trotzdem körperliche Bewegungsfreiheit gegeben ist. Doch momentan ist das noch eine Grauzone. Die Formel für künftige Auftritte könnte lauten: „Die Infektionsregeln geben die Struktur, und dann kann man die theatralen Mittel, unsere Kreativität, unseren Spielspaß irgendwie zusammenwürfeln und einen magischen Trunk machen.“
Komödie am Kurfürstendamm
Die traditionsreiche Komödie am Kürfürstendamm hat ihr Zuhause übergangsweise am Schiller Theater gefunden – und gilt als Topadresse für niveauvolles, vielfältiges Unterhaltungstheater. Auch dieses große Haus musste seine Tätigkeiten coronabedingt herunterfahren und hat mittlerweile diverse Pläne für eine Wiedereröffnung in der Schublade. Doch eine Lösung über Nacht kann es nicht geben. Intendant Martin Woelffer sprach mit uns über diese außergewöhnliche Zeit.
Das Berliner Schiller Theater zählt mit 1.050 Plätzen zu den größeren Häusern. Das macht es zwar einfacher, Abstandsregelungen umzusetzen – rentabel wäre das aber noch lange nicht. Zurzeit sind alle in Kurzarbeit, der Betrieb läuft auf Sparflamme – auch, um die Kosten im Rahmen zu halten. Als die Schließung verkündet wurde, wusste noch niemand, wie die Gäste reagieren würden. Denn ohne Einnahmen und mit der gleichzeitigen Verpflichtung, zig gekaufte Karten zurückzahlen zu müssen, wäre es enorm eng geworden.
Glücklicherweise haben, wie in vielen anderen Theatern auch, die meisten Gäste einen Gutschein gewählt oder ihr Geld gar nicht zurückverlangt. Indendant Martin Woelffer und sein Team sind dafür sehr dankbar. Das Soforthilfepaket IV hat er jetzt aber auch beantragt. Außerdem ist es möglich, über die Website des Theaters zu spenden.
Wo viele Theater sich Gedanken machen, ob ihre als „Risikogruppe“ eingestuften Gäste, die den Großteil der meisten Theaterbesucher ausmachen, tatsächlich nach einer Öffnung – frühestens am 1. August – ausgehen, ist Martin Woelffer eher zuversichtlich: „Wir haben es in den letzten 10 bis 15 Jahren geschafft, den Altersdurchschnitt zu senken. Das finde ich schon erstaunlich.“ Optimistisch ist er auch wegen der schrittweisen Öffnung der Geschäfte: „Die Leute gewöhnen sich daran, wieder rauszugehen und sehen, wie man leben kann, ohne dass man sich ansteckt. Dementsprechend wird es auch keine Angst geben, wenn sie endlich wieder ins Theater gehen könne. Es werden Regeln sein, die den Menschen das Gefühl vermitteln: Hier bin ich sicher.“
Die größte Herausforderung sieht er in dem, was auf die Bühne gebracht wird. Denn auch die Schauspieler müssen geschützt werden. „Die Wege der Zuschauer kriegt man irgendwie hin. Man braucht dafür viel Geld zusätzlich von der Stadt, damit es sich rechnet. Aber nur zwei Personen auf der Bühne, die nur in eine Richtung sprechen? Da gibt es nur sehr wenige Stücke, die das hergeben“, gibt Martin Woelffer zu bedenken.
Für die Zukunft wünscht sich der Intendant der Komödie am Kurfürstendamm klare Ansagen, um planen zu können. Denn eine Öffnung über Nacht wäre undenkbar. Und er betont die Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung der Kulturbetriebe – gerade für jene, die keine Subventionen erhalten.
MACHmit! Museum für Kinder
Im Bauwagen fing alles an: Das MACHmit! Museum für Kinder war das erste seiner Art in Berlin und damit Vorreiter in der Gestaltung von bewegten und kreativen pädagogischen Angeboten für Kinder. Der Schwung, den das Museum in den letzten Jahren genommen hat, wurde nun ausgebremst. Anfassen und Mitmachen sind eigentlich die Leitprinzipien des MACHmit! Museums, doch in Zeiten von Corona müssen die Initiatoren Mitmachen neu definieren.
Um weitermachen zu können, hat das Museum eine „Bären-Aktion“ gestartet: Der mannshohe bunte Bär wohnt seit 19 Jahren im Museum und soll nun mittels einer Spendenkampagne weiterziehen – und damit zum Fortbestand des Hauses beitragen.
Die Geschäftsführerinnen des MACHmit! Museums, Uta Rinklebe und Maren Klingbeil, haben für ihr Haus das Soforthilfepaket IV beantragt. Denn mit dem vorhandenen Geld könnten sie noch maximal zwei Monate lang die festen Kosten zahlen. Neun der insgesamt 18 Mitarbeiter, darunter zwei FSJlerinnen, sind in Kurzarbeit. Um das Museum über die Runden zu bringen, haben sie verschiedene Spendenkampagnen ins Leben gerufen: Über helfen.berlin können Gutscheine erworben werden, zusammen mit Andreas Otto gab es eine Soli-Aktion vor dem Haus – und über Startnext soll der große Museumsbär symbolisch auf Wanderschaft gehen. Der Bär lebt von Beginn an im Museum. Nun hat er eine große Aufgabe vor sich, der er – zumindest von seiner Statue her – gewachsen ist: Er müsste im Grunde 110.000 Euro bringen. Denn so hoch ist der Verlust, den das Museum in den vergangenen Wochen während der Schließung eingefahren hat.
Derweil tüfteln Uta Rinklebe und Maren Klingbeil an einem Hygienekonzept, das trotz aller Auflagen in wenig Spielraum für Spaß lässt. Einen vorgegebenen Pfad durchs Museum soll es geben, die jungen Besucherinnen und Besucher können durch das Spiegelkabinett gehen, das Kletterregal dürfen sie in eine Richtung verlassen und den Schnee im Schneeraum können sie von außen zum Wirbeln bringen. An den Basteltischen erwarten sie fertig gepackte Tüten mit Kleber und Stiften.
„Was wir hier basteln ist eigentlich ein Anti-mach-mit-Museum“, so die Geschäftsführerinnen. Doch „wir wissen, dass die Leute trotzdem kommen wollen. Die Familien sind ja auch ausgehungert. Sie brauchen andere Orte als nur zu Hause. Wir werden uns schon noch coole Sachen ausdenken. […] Das wird eine andere Nummer, aber wir wollen einfach durchhalten.“ Auch auf das Workshop-Programm während der Sommerferien können sich Kinder und ihre Familien freuen.
Brotfabrik
Galerie, Bühne, Kino, Inklusivatelier und Kneipe – das Kunst- und Kulturzentrum Brotfabrik ist normalerweise ein Ort der Begegnung und des Austauschs. Doch normal ist in diesen Zeiten kaum etwas – auch nicht die Aussicht auf die Rückkehr einer Art von Normalität. Darüber sprachen wir mit Jörg Fügmann von der Brotfabrik.
Erst das Theater, dann das Kino, schließlich Kneipe und Galerie – nacheinander mussten die Türen der Brotfabrik schließen. Die Folge: ein rapider Umsatzeinbruch über Nacht. So vielfältig das Kunst- und Kulturzentrum aufgestellt ist, so unterschiedlich sind die Förderbedingungen: „Eigentlich kriegt man überhaupt nichts, weil man zu nichts wirklich gehört. Wirtschaft z. B. ist Kino und Kneipe, die Galerie ist ideeller Bereich“, erklärt Jörg Fügmann. Während das Kino Soforthilfe durch das Medienboard Berlin-Brandenburg erhält, bekommt das Theater ohnehin eine Jahresförderung vom Senat. Kneipe und Kino werden zusammen durch die IBB gefördert.
Trotz dieser Unterstützungen musste die Brotfabrik bereits Mitarbeiter entlassen, darunter die Minijobber, die per Gesetz weiterbezahlt werden müssten, auch wenn es keine Arbeit mehr für sie gibt. Der Rest der Mannschaft wurde auf Kurzarbeit gesetzt. Der Vermieter, das Bezirksamt, hat Entgegenkommen gezeigt und dem kulturellen Bereich die Betriebskosten für drei Monate erlassen. Das alles lindert die Not ein wenig …
Jörg Fügmann ist skeptisch was die diskutierten Lockerungen angeht: „Wie wird das aussehen, was sie draus machen?“ Eine Proberechnung für das Theater, das eigentlich eine Bestuhlung mit 65 Plätzen erlaubt, war ernüchternd: Mit dem vorgegebenen Abstand von 1,5 Metern blieben noch zwölf Plätze übrig. Für das Kino sieht die Rechnung nicht minder düster aus: pro Reihe zwei Personen, immer eine Reihe komplett auslassen. Macht in der Summe etwa zehn Personen. Damit ist die Rechnung natürlich noch nicht zu Ende: Wenn zehn Leute ermäßigt ins Kino gehen, sind das 60 Euro. Davon bleiben abzüglich Steuern & Co. etwa 30 Euro. Und der Vorführer kostet 12,50 Euro pro Stunde. Bei „ausverkauftem“ Kino hätte Jörg Fügmann über den Abend 90 Euro eingenommen und bei sieben Stunden Arbeitszeit rund 80 Euro Personalkosten. Von Miete oder Betriebskosten war bis hierhin noch keine Rede. Ergebnis der Rechnung: ein Minusgeschäft.
Und wenn es weitergehen kann? Dann machen die aktuellen Vorgaben das Arbeiten praktisch unmöglich, erklärt Jörg Fügmann: „Der Kellner muss sich jedes Mal nach dem Abräumen erst mal die Hände waschen und desinfizieren. Ob die Gläser nach dem Spülen desinfiziert werden sollen, stand nirgends. Ist ja auch schwierig – aus dem Bierglas könntest du eh nicht mehr trinken.“ Spaß beim Ausgehen sieht natürlich anders aus.
Fazit? „Ohne die Außenfläche könnten wir uns im Sommer erschießen.“ Nur, dass es auf den im Januar gestellten Antrag für die Terrasse bislang keine Antwort gab. Die Hoffnung liegt nun auf den Sommerferien, wenn viele Menschen nicht nach Spanien oder Italien reisen können, sondern ihren Urlaub in der Heimat Brotfabrik verbringen.
Friedrichstadt-Palast Berlin
Auf der Bühne des Berliner Friedrichstadt-Palastes geht es im wahrsten Sinne des Wortes berührend zu – denn distanzlos sind Darbietungen in einem Showtheater nicht möglich. Doch wie kann ein solches Theater mit den auferlegten Hygienemaßnahmen umgehen? Wir sprachen mit dem Intendanten Dr. Berndt Schmidt über seine persönlichen Einschätzungen und die angedachten Umgangsweisen mit der Corona-Situation.
Bereits Mitte Februar gab es im Friedrichstadt-Palast Team A und Team B, die sich nicht begegnet sind – eine selbstauferlegte Vorsichtsmaßnahme, bevor die offizielle Schließung im März kam: „Da ist mir trotz Vorahnung doch schon das Herz in die Hose gesackt. Weil ich natürlich sofort alle Folgen im Kopf hatte: die Rückerstattung der 40.000 Tickets, die Umsatzausfälle …“, so Intendant Dr. Berndt Schmidt. Wie die meisten anderen Kultureinrichtungen auch, lebt der Friedrichstadt-Palast einnahmeseitig eher von Monat zu Monat – trotz Zuwendungen vom Land Berlin. Das einzige „Glück“ in dieser Phase war das angesparte Polster für die Produktion, die im Herbst hätte starten sollen. Wäre die Schließung mitten in die Premierenzeit gefallen, hätte innerhalb weniger Wochen die Insolvenz gedroht.
Bei einer Wiedereröffnung denkt Schmidt zuerst an die Bühne. Denn, wenn dort nichts gespielt werden kann, sind Überlegungen zum Zuschauerrang hinfällig. Die Erkenntnis ist so klar wie desillusionierend: „Die Kunst in der Art, wie wir sie machen, ist unter Corona-Distanz nicht möglich.“ Dass die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne Masken tragen, ist keine Option: „Das ist ein Eingriff in die Kunstfreiheit, und den würde ich nicht mitgehen. Man kommt in ein Revuetheater, um der Realität zu entfliehen. Wenn ich dann die ganze Zeit auf die Bühne schaue und Menschen mit Masken sehe, bin ich die ganze Zeit in diesem Alarmzustand. Das ist nicht das, wofür wir stehen: die Flucht aus dem Alltag.“
Wenn das Haus unter den momentanen Bedingungen wiedereröffnet werden soll, müsste das laut Schmidt ganz klar politisch gewollt sein und getragen werden. Denn rein wirtschaftlich würde es keinen Sinn machen, die Künstlerinnen und Künstler aus der Kurzarbeit zurückzuholen, um dann vor einem Drittel oder der Hälfte belegter Plätze aufzutreten: „Das würde bedeuten, dass wir jeden Tag Verluste machen, die jemand ausgleichen müsste“, fasst Schmidt zusammen. Mit dem Senat von Berlin wird deshalb gerade abgewägt, die für 2022 geplanten Sanierungsmaßnahmen vorzuziehen und eine Wiedereröffnung auf Januar 2021 zu verschieben. Das letzte Wort ist hier aber noch nicht gesprochen.
Heike Feist – Schauspielerin
Schauspielerin Heike Feist ist unter anderem aus „Soko Leipzig“ oder „Morden im Norden“ bekannt. Doch vor allem steht sie auf Theaterbühnen und schreibt selbst Stücke. Aus aktuellem Anlass hat sie mit Schauspielkollegen drei Zwei-Personen-Stücke coronatauglich gemacht. Schauspieler verkörpern von Berufs wegen das „Tröpfchenphänomen“: „Wir haben eine sehr gute Aussprache. Wir spucken viel. Es gehört zu unserem Beruf“, gibt Heike Feist unumwunden zu.
Erst kürzlich wurde mit einem speziellen Licht demonstriert, dass die Tröpfchen bei dem Wörtchen „Gesundheit“ etwa zwei Meter weit fliegen. Mit Maske: nichts. Was nicht bedeutet, dass sich die Schauspieler einfach alle eine Maske aufziehen und zurück auf die Bühne könnten.
Cavewoman, Alle Kassen, Tucholsky, Ringelnatz, Hildegard von Bingen – eigentlich wäre Heike Feist gerade mit allen Stücken überall unterwegs, mit zwei Vorstellungen pro Woche. Es hat sie hart getroffen: Die Absage kam im März vier Stunden vor der Vorstellung in Stuttgart. Seitdem konnte sie keine einzige Vorstellung mehr spielen: „Das war sozusagen wie ein Fallbeil. Es war wie mit dem Auto mit hundert gegen die Wand knallen.“
Nun nutzt sie die Zeit, um an ihrem neuen Stück zu schreiben, was sie eigentlich erst im Sommer machen wollte. Geld verdient sie damit natürlich nicht. Heike Feist hatte das Glück, die 5.000 Euro Soforthilfe zu bekommen, von denen sie gerade lebt. Wer nicht schnell genug war beim Beantragen – entgegen aller Ankündigungen, es wäre genug für alle da –, ging leer aus: „Da fühlt man sich doch verarscht“, regt sich Heike Feist auf.
Viele Solo-Selbstständige fallen durch die Förderlücke, denn in der Regel haben sie keine oder sehr geringe Betriebskosten. Dass die betreffenden Personen unter Umständen keine Brötchen mehr kaufen können, wird nicht berücksichtigt. Die Lösung soll ein Hartz-IVAntrag sein, bei dem ein Vermögensbogen ausgefüllt werden muss: „Irgendwas stimmt da nicht. Das hat nichts mit Würde und Wert zu tun“, findet Heike Feist.
Gutscheinaktionen, wie sie etwa Helfen.Berlin umsetzt, findet sie unterstützenswert: „Eigentlich hasse ich Gutscheine. Aber dieses Jahr bekomme ich zum Geburtstag nur Gutscheine für meine Lieblingskneipen und -bars. Da haben alle etwas davon. Wenn ich die Gutscheine nicht gekauft hätte, hätte ich gar nichts gekauft“ erklärt Heike Feist ihren Zuspruch für das Gutscheinkonzept.
Wie kann es nun weitergehen? „Die Serien werden ja schon wieder gedreht. Da werden die Bücher umgeschrieben. Ältere Schauspieler werden nicht mehr besetzt. Und beim Theater? Also, ich gehe davon aus, dass vor September nichts mehr stattfindet. Die Theater müssen Unterstützung bekommen und zwar einfach und unkompliziert. Der Föderalismus macht wahnsinnig. Ich spiele ja in ganz Deutschland“, sagt Heike Feist dazu. Sie glaubt nicht daran, dass die Theater einfach wieder öffnen und alles wie vorher wird. Doch sie ist davon überzeugt, dass die Gäste wiederkommen werden: „Der Hunger ist so groß, wieder rauszugehen. Das ist meine Hoffnung!“
artspring Berlin Kunstfestival
Das artspring berlin Kunstfestival widmet unter dem Motto „Der Stadtbezirk wird Galerie“ einen Monat der Kunst. Wie sich inzwischen an vielen Stellen gezeigt hat, macht Corona erfinderisch und lädt dazu ein, neue Formate zu erproben. Und so wird auch artspring experimentell, kreativ – und vor allem digital. Wir sprachen mit der künstlerischen Leitung, Julia Brodauf und Jan Gottschalk, über das neue Konzept.
Seit vier Jahren lädt das artspring Kunstfestival Menschen in die Ateliers der Künstlerinnen und Künstler aus Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee ein. Da das aktuell unmöglich ist, gibt es vom 9. Mai bis 7. Juni statt Kunst offline eben Kunst online. Um die beteiligten Künstlerinnen und Künstler sichtbar( er) zu machen, wurde die Festivalzeitung in zehnmal höherer Auflage verlegt und mit der Berliner Woche an 100.000 Bewohnerinnen und Bewohner des Großbezirks verteilt. Kunstinteressierte finden auf der Website www.artspring.berlin Lesungen, Performances und Podcasts. Zudem gewähren Künstlerinnen und Künstler Einblicke in ihre Ateliers. Auch zwei Onlinekonzerte sind im Programm.
Filmfreunde kommen ab dem 15. Mai auf ihre Kosten, wenn jeden Freitag das artspring Filmfestival, die artspringnale, in Kooperation mit dem Lichtblick-Kino online geht. Nach dem Starttermin laufen die Filme immer eine Woche lang. Der Dienstag steht ganz im Zeichen der Literatur.
Die Gruppenausstellungen zur Pankower Kunstszene in der Janusz-Korczak-Bibliothek ab dem 21. Mai und in der Park-Klinik Weißensee ab dem 29. Mai ergänzen das Programm – zunächst virtuell, wenn möglich real. Real ist auch das sieben Meter lange Schaufenster, das sich in der Heinrich-Böll-Bibliothek befindet und zu einem Spaziergang einlädt. Offline ist ebenfalls das Wochenende der offenen Ateliers am 6. und 7. Juni geplant – unter Einhaltung der Hygieneverordnungen.
artspring Kunstfestival vom 9. Mai – 7. Juni 2020, www.artspring.berlin
Alle Fotos: © Pavol Putnoki