Trainieren für den Traum
Das große Ziel aller Schülerinnen und Schüler dieser Schule ist die Bühne. Frieda durfte schon oft auf der Bühne stehen. In den letzten Jahren hat sie an der Deutschen Oper die Rolle der Klara im Weihnachtsmärchen Nussknacker getanzt. „Wenn ich auf der Bühne stehe, dann vergesse ich die Arbeit und die Selbstzweifel, dann bin ich voll und ganz konzentriert und realisiere kaum, was um mich herum passiert. Das ist eine ganz besondere Erfahrung, wenn ich mich ganz in eine Rolle hineinversetzen kann.“ Für Frieda ist klar, dass sie genau das will und dass sich jedes Training und jede Korrektur dafür lohnt. Auch wenn sie morgens manchmal denkt, dass ihre Beine müde sind und sie auch gerne einfach mal faul sein möchte. Dann reißt sie sich zusammen, erinnert sich an ihr Ziel und macht sich auf den Weg zur Schule, der für sie nur 500 Meter weit ist. „Ich finde das schon ein ganz schön krassen Zufall, dass gerade diese Schule so nah an meinem Zuhause liegt. Ich genieße es, dass ich abends meinen Schrank hier zumache und einfach durch die frische Luft nach Hause gehe. Ich habe dort mein eigenes Bett und kann am Wochenende etwas mit meiner Familie und meinen Freunden unternehmen. Für mich ist es angenehmer zuhause zu wohnen. Andererseits denke ich auch manchmal, dass die Internatler länger trainieren können, dann will ich das auch. Aber so habe ich eben zwei Zuhause.“
Konkurrenz belebt den Alltag
Freunde hat Frieda in beiden Welten; in ihrer Ballettwelt sind die Freunde gleichzeitig auch die Konkurrenten. Am Ende geht es immer wieder um Rollen und Jobs, die alle wollen und die nur wenige bekommen können. Die Konkurrenz unter den Schülern empfindet Frieda selbst als unkritisch. „Wenn ein anderes Mädchen im Training besser ist als ich, strenge ich mich mehr an. Das tut mir gut.“ „Ohne Konkurrenz ginge es nicht“, so sieht es auch Lehrerin Heike Keller. „Wenn ein Mädchen eine Rolle bekommt, möchte ich nicht sehen, dass alle anderen erleichtert sind und denken ‚prima, dann habe ich jetzt ein leichteres Leben’. Alle wollen nach vorne und das ist auch wichtig in dem Beruf.“
Frieda will nach vorne und sie kann es. So sieht es auch Gregor Seyffert, der künstlerische Leiter der Schule. Der vielfach ausgezeichnete Tänzer, Choreograf und Regisseur kommt wie Frieda aus Prenzlauer Berg und hat an dieser Schule gelernt. „Frieda ist ein Beispiel, wo sich körperliches Talent, musisches Talent, Willensstärke und Professionalität auf sehr gute Art und Weise paaren. Das ist eine gute Voraussetzung, um später einen guten Job zu bekommen.“ Dass die Jugendlichen, die hier jeden Tag hart arbeiten, irgendwann von ihrer Kunst leben sollten, wirkt fast ein bisschen prosaisch. Aber genau so ist es. Der Anspruch der Schule ist durchaus, jede Absolventin und jeden Absolventen in ein Engagement zu entlassen. Nicht jede Schülerin, jeder Schüler wird Solistin oder Solist an einem Staatsballett, aber fast alle schaffen den Sprung an die verschiedenen Bühnen der Welt. Damit Traum und Wirklichkeit auch wirklich zusammenpassen, werden die Schüler regelmäßig geprüft. „Für uns ist es ist eine sehr wichtige Aufgabe zu beobachten, wie die Schüler sich entwickeln. Dadurch, dass sie so früh hier anfangen, kann sich vieles anders entwickeln als wir dachten. Dann liegt es auch in unserer Verantwortung, mit den Schülern zu sprechen und sie eventuell in eine andere Richtung zu beraten. Die Leute sollen ja glücklich werden in ihrem Beruf.“
Die Gründe, warum manche Schüler am Ende doch einen anderen Weg wählen, sind unterschiedlich. Bei manchen hält der Körper den immer weiter steigenden Ansprüchen nicht Stand, bei anderen ändern sich die Prioritäten. Vertan ist die Zeit an der Ballett-Elite-Schmiede trotzdem nicht. Die Disziplin, der Durchsetzungswille und die musische Ausbildung, die die Jugendlichen über Jahre prägt, können sie auch in anderen Berufen nutzen. Und am Ende, gibt Gregor Seyffert zu bedenken, müssen auch die Schüler mit Bühnenkarriere irgendwann über einen Plan B nachdenken. Denn die wenigsten tanzen ewig. „Der Körper ist kein sehr verlässliches Instrument. Als Tänzer muss ich aber jeden Tag mit gleichbleibender Qualität auf diesem Instrument spielen können. Das macht man nicht bis 67. Deshalb ist es auch wichtig, einen zweiten Berufsweg zumindest mitzudenken.“