Vincent Kliesch schreibt Geschichten, die euch den Schlaf rauben. Er ist zuständig für Hochspannung, Todesangst und überraschende Wendungen. Der Bestsellerautor ist im wahrsten Sinne des Wortes federführend bei der Thrillerreihe „Auris“, denn er bringt die Sätze auf Papier, basierend auf der Idee von Sebastian Fitzek. Wir sprachen mit Vincent Kliesch über viele spannende Facetten seiner Arbeit.

Ursprünglich wollte Vincent Kliesch Comedian werden, doch vorher musste ein „ordentlicher“ Beruf her. Mit seiner Vorliebe für gute Lebensmittel und Wein lag es nahe, den Weg in die Restaurantwelt einzuschlagen – und als Kellner seinem „Publikum“ kleine Comedyshows auf der Restaurantbühne zu bieten. Die Arbeitszeiten dort ließen sich später wunderbar mit den Spielschichten vereinen. In Klieschs Comedyzeit führte eins zum anderen: Er wurde als Moderator für eine Comedyshow von Starbucks abgeworben und wechselte anschließend in den Filmpark Babelsberg, wo er elf Jahre lang als Moderator tätig war. Bereits in dieser Zeit wandte sich Kliesch verstärkt dem Schreiben zu; sein erstes Buch „Die Reinheit des Todes“ wurde direkt ein Erfolg. Seit er mit Sebastian Fitzek zusammenarbeitet, ist Kliesch ausschließlich als Autor unterwegs.

Von der Comedy zum Thriller 

Wie gelingt der Wechsel von der fröhlich-leichten zur gruselig-dunklen Seite? „Tatsächlich liegen Komödie und Tragödie eng beieinander“, sagt Kliesch, „die Methode ist im Grunde die gleiche: Der Comedian geht auf die Bühne und fängt an, eine Geschichte zu erzählen. Wenn er gut ist, dann ist das Publikum von dieser Geschichte gefesselt, hängt an seinen Lippen und will wissen ‚Was kommt jetzt?’. Dann folgt die Pointe, und im besten Fall lachen alle. Der Thrillerautor fängt auch an, eine Geschichte zu erzählen. Wenn er das gut macht, fragt sich der Leser: ‚Was passiert als Nächstes?’ Wenn die Pointe kommt, dann lacht der Leser nicht, sondern denkt: ‚Oh …!’ Aber es ist im Grunde der gleiche Effekt. Man schafft eine Spannung und erzählt eine interessante Geschichte, die mit einer Überraschung endet. Nur das Ergebnis ist einmal lustig und einmal spannend, gruselig, unheimlich oder verstörend.“ 

Der erste Teil der Auris-Reihe beginnt mit einer brutalen Vergewaltigung der Hauptfigur Jula. Warum muss es so heftig sein? Kliesch erklärt die Notwendigkeit so: „Damit der Leser wirklich mit dieser Figur mitgeht, sich an die Seite von Jula stellt, mit ihr in Gedanken kämpft, miteifert und bei ihr ist, muss sie am Anfang ein starkes Trauma erleiden, bei dem der Leser den unbedingten Wunsch haben soll, dass sie dieses Trauma heilen kann. Dass sie irgendwie aus diesem Loch rauskommt, dass sie wieder groß und stark wird. Deswegen ist es so, dass wir die Figur mit diesem krassen Trauma erst einmal brechen mussten, damit wir dann einen Weg für sie schaffen konnten, der sie wieder nach oben führt.“ 

Markenzeichen: sprachliche Klarheit 

Klieschs Bücher zeichnen sich durch eine große sprachliche Genauigkeit aus. „Fast schon pedantisch“, bezeichnet er selbst sein Faible für eine absolut korrekte Sprache. „Ich habe eine Art Sprachtick“, gibt er unumwunden zu und erzählt von seinem Vater, der als Richter großen Wert auf eine klare, genaue Sprache gelegt und diese seinen Kindern vermittelt hat – bei Vincent stieß diese Spracherziehung auf fruchtbaren Boden: „Ich habe das immer weiter perfektioniert und wende diese präzise und geordnete Sprache tatsächlich als Mittel an, um einen Lesefluss herzustellen und für Verständlichkeit zu sorgen. Ich sage immer genau, was ich meine, und überlasse es nicht dem Leser zu interpretieren, was ich wohl gemeint haben könnte. 

Team Fitzek-Kliesch: So entstehen die Bücher 

Sebastian Fitzek liefert für jeden der Auris-Bände die Ausgangsidee. In einem anschließenden gemeinsamen Brainstorming wirbeln die Ideen durcheinander: „Was ursprünglich mal geplant war, steht am Ende oft gar nicht mehr, dafür haben wir etwas anderes draus gemacht.“ Das Thrillerduo feilt so lange an dem groben Plot, bis sich Kliesch startklar fühlt und die ersten 50 bis 100 Seiten schreibt. Danach besprechen die beiden das Geschriebene, forschen nach dem Potenzial, spinnen Fäden weiter und überlegen, welche überraschenden Wendungen möglich sind. Ihr Arbeitsprozess ist offen: „Wir wollen zulassen, dass Dinge beim Schreiben einfach passieren.“ Wenn eine TV-Serie ihren Höhepunkt überschritten hat, spricht man vom sogenannten Jumpingthe-shark-Effekt. Ab diesem Zeitpunkt geht es bergab, und es wäre angeraten, die Serie zu beenden. „Wenn Jula in irgendeinem Teil als Gag wirklich über einen Hai springen sollte, dann wissen die Leser, dass wir die Reihe langsam abschließen werden“, schmunzelt Kliesch und fügt hinzu: „Aber noch haben wir kein festgelegtes Ende. Wir können noch zwanzig Bücher schreiben, aber wir können auch mit dem vierten aufhören.“ Letzten Endes zählt die Resonanz der Leserschaft. 

Tiefe Gefühle beim Schreiben – und beim Lesen 

Neben der Auris-Reihe arbeitet Kliesch an eigenen Projekten; im Dezember erscheint „Im Auge des Zebras“. Dass beim Schreibprozess auch tiefe Gefühle am Werk sind, verrät er uns, als er über sein neues Buch spricht: „Dieses Buch hat einen Teil von mir mitgerissen. Je mehr ich schreibe, desto mutiger werde ich. In diesem Buch habe ich mich getraut, auch tiefsitzende Sachen aus meiner Seele einzuarbeiten, traumatische Gedanken zu spinnen und die Figuren in wirklich furchtbare Situationen zu versetzen. Ich habe mehrfach geweint beim Schreiben. Hinterher habe ich festgestellt, dass ich da Tore aufgerissen habe, durch die irgendwelche Gedanken und Emotionen rausgekommen sind, die hinterher nicht alle wieder eingesperrt worden sind.“ Das habe tatsächlich eine Weile sein Einschlafen beeinträchtigt. 

Kliesch wendet einen wichtigen Schreibtipp an: niemals die Figuren beschreiben, sondern dem Leser ein Gefühl für sie vermitteln. „Ich sage also nicht: ‚Er hatte schwarze Haare und einen Schnurrbart unter der Nickelbrille’, sondern ich sage: ‚Er wirkte wie einer dieser Gentleman, wie man sie aus alten Hollywood-Filmen kennt.’“ Tatsächlich wisse er auch nicht, wie Jula aussieht. Er vergleicht sich in diesem Kontext mit Menschen, die an Prosopagnosie leiden, also an einer Gesichtserkennungsschwäche. Gefühle entstehen durch eine Sprache, die ein Verhalten beschreibt oder die Rückschlüsse ziehen lässt. Sätze wie „Er wirkte wie ein Hochschullehrer, der drei Nächte nicht geschlafen hatte“, kurbeln das Kopfkino der Leser an, sodass ihr eigenes Bild von dieser Figur vor ihrem inneren Auge entsteht. Konkrete Angaben wie „er hatte eine Narbe quer über das Gesicht“ macht Kliesch nur, wenn das für die Handlung wichtig ist. 

100 Prozent Kliesch 

In seinen Büchern steckt 100 Prozent Kliesch: „Ich kann ja nichts in mein Buch reinschreiben, was nicht aus mir herauskommt. Jeder Gedanke, den ich in ein Buch bringe, ist in mir gewachsen. Jede Figur hat Züge von mir. Mal ist eine Figur das Böse, wenn ich denke: ‚Die müsste man mal …’ Dann ist eine Figur das Gute in mir, wenn ich denke, das wäre doch jetzt redlich. Aber alle Figuren entstammen meiner Fantasie, meiner Vorstellung und meiner Gefühlswelt.“ 

Corona hat bei Kliesch zwar keinen Schaden angerichtet, sorgt mittlerweile aber für Entzugserscheinungen. Als mit Beginn der Pandemie die Lesungen wegfielen, empfand Kliesch das zunächst wie Urlaub, weil das viele Unterwegssein wegfiel. Doch inzwischen „fühlt es sich nach einem Entzug an, weil die Begegnungen mit den Lesern die schönsten Momente für mich sind.“ Während der langen Zeit im Arbeitszimmer hat Kliesch mit sich und den Figuren zu tun, er wälzt unzählige Ideen, ihm fallen kleine Gags und Insider ein, die er mit niemandem teilen kann. All diese Erfahrungen, Gedanken und inneren Begegnungen kann er aber bei den Lesungen mit seinem Publikum teilen: „Da kann ich an einer Lesestelle auch einfach mal kurz aussetzen und eine lustige Anekdote erzählen.“ Mit Corona fällt das alles weg und das fehlt ihm – aber es wird wiederkommen. 

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https://vincent-kliesch.de/ 

Bücher: 

Vincent Kliesch/Sebastian Fitzek
Verlagsgruppe Droemer Knaur 

Auris (Bd. 1)     ISBN 978-3-426-30718-2
Die Frequenz des Todes (Bd. 2)   ISBN 978-3-426-30760-1
Todesrauschen (Bd. 3)   ISBN 978-3-426-30840-0 

Vincent Kliesch: Im Auge des Zebras
(erscheint voraussichtlich am 30.12.2021) 

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