Mit Erich Kästners „Emil und die Detektive“ durch Wilmersdorf und Schöneberg

Kaum ein Autor ist mit Berlin so verbunden wie Erich Kästner. „Emil und die Detektive“ ist fast jedem von uns ein Begriff. Wir tauchen ein in das Berlin der Zwanzigerjahre. Kein anderer als Hans-Jürgen Schatz führt uns durch die schönen Stadtteile Wilmersdorf und Schöneberg.

Wir treffen Hans-Jürgen Schatz auf dem Nikolsburger Platz. Von der ersten Sekunde an sind wir gebannt. Wir entdecken die Litfaßsäule, hinter der sich Emil damals versteckte und die bis heute den Buchdeckel jeder Emil-Ausgabe ziert (Zeichnung von Walter Trier).

Hier lernte er Gustav mit der Hupe kennen, der auf dem Platz seine Detektive zur ersten Lagebesprechung versammelte. Von hier aus beobachteten die beiden gemeinsam den Dieb in dem gegenüberliegenden Café Josty. Leider ist dieses Gebäude durch den Krieg zerstört worden, denn genau dort schrieb Erich Kästner das Buch „Emil und die Detektive“. Er holte sich seine Inspiration beim Blick über die damalige Kaiserallee (heute Bundesallee) auf die Trautenaustraße.

Wir kreuzen die Bundesallee, stoßen auf den Prager Platz und gehen weiter in die Prager Straße, in der Erich Kästner die ersten drei Jahre bei der Witwe Ratkowski in Berlin verbrachte. Das Grundstück beherbergt inzwischen einen Kindergartenneubau, aber ein großes Wandbild erinnert an den ersten Wohnort Kästners. Vom Prager Platz aus folgen wir der Motzstraße und machen Halt am schönen Viktoria-Luise-Platz. In der Hausnummer elf wohnte Billy Wilder, der am Drehbuch zu „Emil und die Detektive“ von 1931 mitarbeitete.

Wir genießen die Sonne und Hans-Jürgen Schatz sprudelt vor Erinnerungen: „Hier haben wir 1985 die Kriminalkomödie ‚Was zu beweisen war‘ gedreht.“ Zusammen mit Martin Held, Dieter Krebs, Brigitte Mira und Peter Weck führte er damals Regie. Wir laufen weiter, vorbei an der Parkbank, auf der Hans-Jürgen Schatz und Martin Held ihre Filmpausen verbrachten.

Der Motzstraße folgen wir weiter. In der Nummer 24 befand sich von 1930–33 das berühmte Tanzkabarett Eldorado. Schwule, Lesben und überwiegend heterosexuelle Schaulustige aus der ganzen Welt zog es hier hin. Auch Christopher Isherwood, der nebenan in der Nollendorfstraße 17 wohnte, war hier Gast und verarbeitete das Erlebte in seinem Berlinroman „Goodbye to Berlin“ 1939. Für die einen stand das Eldorado als Symbol für Toleranz und Lebenslust, für die anderen als Beispiel für Sittenverfall und Amoral in Berlin. Erich Kästner karikierte das Berliner Nachtleben in seinem Roman „Fabian“.

Weiter geht es Richtung Nollendorfplatz. Auf der rechten Seite erscheint das Hotel Sachsenhof. Hier endete die wilde Verfolgungsjagd der Detektive, hier quartierte sich der Dieb in Berlin ein. Erich Kästner nannte dieses Hotel damals „Hotel Kreid“. Nicht ganz zufällig wurde dieses Hotel erwählt, wohnten dort nicht nur viele Schriftsteller, sondern auch Verleger, wie zum Beispiel Ernst Rowohlt und der Maler Oskar Kokoschka.

Nur wenige Schritte weiter erreichen wir das ehemalige Theater am Nollendorfplatz, heute als Veranstaltungsort unter dem Namen Metropol bekannt. Im Hof des früheren Theaters schlugen die Detektive ihr zweites Hauptquartier auf. Hans-Jürgen Schatz erzählt so lebhaft, wir können fast das Pfeifen hören, mit denen die Mitglieder der Detektivbande zum Treffpunkt geholt wurden. Zeit für eine Pause, wir lassen uns nieder im Café Berio in der Maaßenstraße.

Ein wenig fühlen wir uns um etwa 90 Jahre zurückversetzt. So muss auch Erich Kästner in seinem Café gesessen und den Trubel der Großstadt genossen haben, während er die Menschen beobachtete, um sie dann in seine Geschichten zu verweben. Wir reden über soziales Engagement in Berlin. Wer Hans-Jürgen Schatz kennt weiß, wie sehr ihm die Berliner Kunst und Kultur ans Herz gewachsen ist. Die Liste ist lang: Berliner Schloss Britz oder Max Liebermann-Villa am Großen Wannsee, Erhalt der Komödie und des Theaters am Kurfürstendamm oder auch die Initiative zum Erhalt historischer Berliner Friedhöfe und viele weitere.

Woher nimmt er die Kraft und die Ideen? „Oft ärgere ich mich, wenn Kultur und Kunst verfallen. Das ist oft die Initialzündung. Aus dieser Wut kann auch etwas Gutes entstehen. Ich staune oft, dass ganz viele Menschen, die so viele mit Verbindungen oder Geld kennen, nicht die Initiative ergreifen, um etwas Schönes daraus zu machen“, erklärt Hans-Jürgen Schatz.

Langsam treten wir den Rückweg an. Vielen Dank an Hans-Jürgen Schatz, der uns teilhaben ließ an den schönen Stadtteilen Wilmersdorf und Schöneberg. Wir können euch nur empfehlen diese Route auch einmal zu laufen. Es lohnt sich wirklich.

Info

Hans-Jürgen Schatz wurde 1958 in Berlin geboren. Zur Schauspielerei kam er durch puren Zufall: Der Gymnasiast startete seine journalistische Karriere als Aufnahmeleiter unter Hans Rosenthal beim Rias Berlin. Es war die Schauspielerin Gabriele Schramm, die sein Talent entdeckte und ihm empfahl, sich für Probeaufnahmen des Films „Flamme empor“ zu bewerben. Entstanden sind daraus nicht nur große Fernsehrollen, wie „Der Fahnder“, „Salto Postale“ und mehr als 60 andere, sondern auch zahlreiche Kinofilme, zum Beispiel „Steiner – Das eiserne Kreuz“ oder „Die Weiße Rose“.  Auch seine Liebe zum Theater lebt er von Anfang an aus. Selbst Musicals gehören zu seinem Repertoire.
Eine weitere Leidenschaft des Grimme-Preisträgers ist die Lesung. Seit über 30 Jahren nimmt sich Hans-Jürgen Schatz Zeit, um überall in Deutschland aus Werken von Kästner, Charles Dickens, Kurt Tucholsky und zahlreichen anderen zu lesen.
www.hans-juergen-schatz.de