Fahrradmobilität liegt in Berlin voll im Trend, beschleunigt noch einmal durch die Corona-Pandemie. Social distancing fällt damit wesentlich leichter. Und wer auch beladen mobil sein möchte, greift zu Lastenrädern.

Zwei davon laufen bei uns seit zwei Monaten im Dauertest, und wir können gar nicht sagen, was für ein Zugewinn an Lebensqualität das ist! Alleine die Zeit, die wir für die Parkplatzsuche einkalkulieren mussten, um pünktlich bei Terminen zu erscheinen: Dieser Stress entfällt mit unseren Lastenrädern. Gut, bei Regen wird’s eben feucht. Aber mit dem entsprechenden Regenschutz für die Kinder und mit Regenkleidung für den Radler stellt auch das Wetter kein wirkliches Problem mehr da.

Doch welches Lastenbike ist nun das beste? Die Modelle sind so verschieden wie die Bedürfnisse derer, die sie nutzen. Natürlich entscheidet auch der Geldbeutel mit. Wir haben uns für zwei unterschiedliche Konzepte entschieden. Aus der Klasse der Dreiräder wählten wir das Babboe Curve Mountain und bei den Zweirädern ein Packster 60 Vario von Riese & Müller. Beide verfügen über einen Elektroantrieb mit Mittelmotor; dieser Punkt war uns wichtig, bei voller Beladung kommen wir nämlich gerne einmal auf über 200 Kilo Gesamtgewicht.

Absteigen oder Sitzenbleiben?

Während es den Transportkorb des Babboe nur  in einer festen Größe gibt, hat das Packster 60 Vario drei verschieden große Ladeflächen, aus denen man wählen kann: 40 cm, 60 cm und 80 cm – wir haben uns für die goldene Mitte entschieden. Beide Lastenbikes können mit zahlreichen Zubehörteilen erweitert werden: Vom Regenverdeck über Sonnenverdecke bis hin zu Schalensitzen ist fast alles möglich. Das Packster 60 Vario hat das flexiblere Ladesystem und die Box wird durch Spannseile gehalten, so lassen sich die Seitenteile schnell abnehmen. Damit ist selbst der Transport einer Kommode möglich.

Neigungstechnik beim Babboe Curve Mountain

Was sich über Lastenräder klar aussagen lässt: Sie fahren sich nur bedingt wie normale Fahrräder. Ein Hexenwerk ist es aber nicht, wir haben uns innerhalb weniger Minuten an die neue Fahrqualität gewöhnt. Anders ist der Fahrspaß aus verschiedenen Gründen:

Das Zweirad spielt seine Stärke aus, nachdem es in Schwung gekommen ist. Hier kommt es dem klassischen Fahrradfahren schon sehr nahe. Man legt sich in die Kurven, auch die Sitzposition ist sportlich und selbst enge Kurven lassen sich meistern. Die Wendigkeit ist verblüffend. Herausfordernder wird es bei sehr geringen Geschwindigkeiten oder beim Warten an der Ampel und anschließendem Anfahren. Je nach Beladungszustand muss man das Fahrrad gut austarieren. Das kann je nach Gewicht und Höhe des Schwerpunktes schon mal kippelig werden.
Beim Abstellen zieht man das Fahrrad rückwärts auf den Ständer wie bei einem Motorrad. Voll beladen bedeutet das echten Körpereinsatz. Der Fahrkomfort ist dafür ausgesprochen gut: Die Vordergabel ist gedämpft, die voluminösen Reifen und die Sattelfederung bügeln auch den schlimmsten Berliner Radweg glatt. Ein Punkt, der auch den Mitfahrern zugute kommt.

Beim Dreirad ist es konstruktionsbedingt genau andersrum: Schritttempo fahren und dabei sitzen bleiben ist kein Problem und sehr angenehm. Die Ampel wird rot und man wartet gemütlich. Auch wenn die „Ladung“ sich verschiebt oder bewegt, tangiert es das Dreirad nicht. Das Umdrehen des Fahrrades, z. B. auf engen Gehwegen, auf Abstellplätzen o. Ä. macht richtig Spaß: Man hebt es hinten leicht an und kann es auf der Stelle drehen. Anders sieht die Situation beim Fahren aus, denn zwei Räder vorne bedeuten auch zwei Bodenwellen, zwei Schlaglöcher und so weiter.
Unbeladen hüpft der Transportkorb bei höherem Tempo gerne hin und her. Für Passagiere ist dann ein Sitzkissen angebracht. Abgesenkte Bordsteine, die über den Radweg führen, sind erst mal ungewohnt. Da das Dreirad die Neigung nicht ausgleichen kann, sitzt man schief. Auch Kurvenfahrten sind mit Vorsicht zu genießen. Konstruktionsbedingt neigt das Rad bei zu schneller Kurvenfahrt zum Kippen. Dann hebt sich kurz das kurveninnere Rad – ein letzter mahnender Hinweis. Dabei macht das schnelle Fahren durchaus Spaß, problemlos erreichen wir Geschwindigkeiten um die 30 km/h. Die Strecke sollte aber geradeaus führen und einsichtig sein. Ein plötzliches Ausweichen bei schnellem Tempo kann sonst böse enden.
Seine Stärke ist eindeutig die Beladung: Kinder können problemlos selbstständig rein- und rausklettern, das Bike steht durch seine Feststellbremse sehr sicher. So bleiben die Hände jederzeit frei.

O.li. Babboe: Yamaha, Lithium-Ionen, 36 V, 400 Wh
U.re. Packster: Bosch, Lithium-Ionen, 36 V, 500 Wh

Unser Fazit

Wir lieben beide Fahrräder, beide haben ihre Einsatzgebiete. Ist die Aufgabenstellung eine schnelle Lieferung durch die Stadt, ist das Riese & Müller unser Favorit – wahnsinnig großer Fahrspaß, schnell und agil durch die Stadt. Das Babboe Curve Mountain wird bei uns zum gemütlichen Cruisen eingesetzt und immer dann, wenn viele Stopps gefragt sind. Für diese Einsätze gibt es nichts Besseres. Aber egal, wofür ihr euch entscheidet: Ihr werdet die Freiheit genießen. ■


Alle Fotos: © Pavol Putnoki

Artikelveröffentlicht in mein/4-Ausgabe 2/2020