„Wir fangen jetzt mal ohne Gourmetzirkus an“
Die Frühsammers haben mit Leib und Seele ihr Gourmetrestaurant in der Villa des Grunewald-Tennisclubs aufgezogen und dafür einen MICHELIN Stern bekommen. Nach Corona haben sich ihre Prioritäten verlagert: einfach und gut kochen, aber nicht mit dem Ziel, eine Sterneküche aufrechtzuerhalten. Wir sprachen mit Sonja und Peter Frühsammer über den gemeinsamen Weg, über ihre Arbeitsteilung und ihre Art, Gäste glücklich zu machen.
Peter Frühsammer, seinerzeit Privatkoch für den ehemaligen israelischen Botschafter Schimon Stein, wollte sich eines Tages Eier aus der gegenüberliegenden Gastronomie ausleihen, um dem Wunsch nach Kaiserschmarrn von Joschka Fischer (zu der Zeit gerade auf Diät) und Schimon Stein (bitte cholesterinfrei) nachkommen zu können.
Fast zeitgleich bat ihn eine damalige Kundin, in ebenjenem Restaurant anlässlich ihres Geburtstages für sie zu kochen. Dass der Gastronom der Pizzeria des Tennisclubs selbst zu jener Zeit unzufrieden war und seinen Betrieb aufgeben wollte, kam hinzu. So zogen Sonja und Peter Frühsammer als Gastronomen in die Villa des Grunewald-Tennisclubs ein.
Bis zum Stern für das „Frühsammer“ war es von dort aus noch recht beschwerlich. Denn zu Beginn kochten die Frühsammers nicht nur weiterhin für den Botschafter (und brachte das Essen eben auf die andere Straßenseite), sondern das Paar hielt auch seinen Cateringservice für große Unternehmen aufrecht – eine Zerreißprobe, die zulasten der Qualität ging, wie die beiden irgendwann feststellen mussten: „Wir hatten wenige Momente, wo wir uns wirklich um die Qualität unserer Produkte kümmern konnten“, erklärten sie uns ihre Situation von einst.
Auslöser zum Umdenken war eine böse Kritik, die dem „Frühsammer“ prophezeite, niemals wieder zurückzukommen. Ihr Wunsch kristallisierte sich immer mehr heraus: ein eigenes, schönes Restaurant mit hochwertiger Küche.
Das Jahr 2007 stand dann ganz im Zeichen des Neuanfangs: Sonja und Peter gaben sich das Jawort und Peter versprach seiner Angetrauten am Hochzeitstag, ein schlankeres Konzept auf die Beine zu stellen, mit entsprechend weniger Mitarbeitern und dem i-Tüpfelchen: „Du wirst dort Küchenchefin.“
Peter hielt sein Versprechen. Die Arbeitsteilung war klar: Sonja kocht, Peter kümmert sich persönlich um die Gäste: „Ich war immer Gastgeber, das war für mich das Wichtigste. Ich kenne beide Seiten. Bevor ich angefangen habe zu kochen, musste ich wissen, für wen ich koche. Meine Frau interessiert das gar nicht. Sie kocht ihren Teller in einer extremen Zuverlässigkeit und mit einer Seelenruhe. Wer da sitzt, ist ihr völlig egal.“
Dass Peter eng an den Gästen dran ist, hindert ihn nicht daran, sich auch selbst in die Küche zu stellen – allein allerdings! Dort kreiert er seine Pâtisserieträume oder backt Brot im Steinbackofen. „Wenn ich koche, muss ich allein sein. Weil ich einen wahnsinnigen Adrenalinspiegel in der Küche habe, wenn ich koche. Bei à la carte mit Druck vom Bon bin ich nicht mehr ich selbst. Ich würde mich von mir scheiden lassen“, gibt Peter unumwunden zu.
Ihr Gourmetrestaurant in der Villa florierte und trug von 2014 bis 2019 einen Stern. Neben der gehobenen Küche und der persönlichen Beratung durch den Chef ist die Location besonders: Die Villa besticht durch ihren original erhaltenen, großen Speisesaal und durch architektonische Besonderheiten von Oskar Kaufmann.
Corona hat auch Sonja und Peter eine Verschnaufpause beschert. Sie hätten die Zeit genutzt, um über ihr Leben und ihre Arbeit nachzudenken: „Ich werde bald 61, da musst du auch nicht mehr jeden Scheiß machen. Ein bisschen bequem bin ich auch geworden. Vor allem habe ich die Reduzierung auf uns beide sehr geschätzt“, erzählt Peter über die Corona- Zeit.
Glorreich war die sogenannte Stadtküche, die die Frühsammers während des Lockdowns gemeinsam mit ihren Azubis auf die Beine stellten: „Wir hatten eine totale Produktionstiefe. Maultaschen haben wir aus dem Rind unserer Nachbarin gemacht und aus den Eiern unserer Hühner. Alles wurde selbstgemacht. Dann haben wir hier für 150 Leute Maultauschen mit hausgemachtem Kartoffelsalat verkauft. Das war geil!“
Bei der Wiedereröffnung war dem Paar klar: „Wir fangen jetzt mal ohne Gourmetzirkus an.“ Mittlerweile hat sich ein Mischkonzept aus Bistroküche und Gourmetmenü eingependelt, das sich nach einigen notwendigen Anpassungen als praktikabel erwiesen hat, dem Wunsch Peters gerecht wird, sich nicht mehr „totarbeiten“ zu müssen, und gleichzeitig die Qualität mit dem vorhandenen Personal sichert: Sonja kocht das Abendmenü, das auf 20 Gäste begrenzt wird, Peter begleitet die Gourmetgäste durch den Abend. Und „wenn es für den kulinarischen Abend mal keine Reservierungen gibt, bin ich auch mal einen Abend nicht da“, so Peter.
Das stark laufende Bistro bleibe, denn die Nachfrage sei groß und ihnen sei ein Restaurant für jeden Tag für ihre Berliner Gäste wichtig.
Auch wenn Sonja in der Küche das Sagen habe, „hat sie die Gabe, mir das Gefühl zu geben, ich darf ein bisschen mitspielen. Ich darf immer noch Impulse setzen, und komme mir immer noch ein bisschen wichtig vor. Aber im Endeffekt macht sie, was sie will, und das macht sie richtig gut!“, schwärmt Peter.
Er erzählt von Sonjas Fleiß und Ehrgeiz, von ihrer Ausdauer und ihrem Charme: „Sonja macht keinen Gang, ohne was in der Hand zu haben. Die Frau hat wirklich so eine Personalführungsgabe, dass jeder weiß, woran er ist. Sie geht konkret auf die Leute zu und sagt, was sie will. Das macht sie gelassen und fair, richtig cool! Und sie kommt nach 20 Couvert Gourmets und 20 Bistrogästen heim und du denkst, sie war grad in der Wellnessabteilung. Oder sie kommt nach einer 17-Stunden-Schicht nach Hause und fragt: ‚Du hast noch keine Flasche Wein offen? Was ist hier los?‘“ ■
Frühsammers Restaurant und Bistro Grundschlag
Flinsberger Platz 8
14193 Berlin-Wilmersdorf
Telefon: 030–89738628
Mobil (auch WhatsApp): 0172–3002287
www.fruehsammers.de
Reservierungen bitte unter Angabe des Wunsches: Menü „Sonja kocht“ des Frühsammers Restaurant oder Bistrokarte à la carte
Öffnungszeiten:
Restaurant: Mittwoch bis Samstag, ab 19 Uhr, Menü „Sonja kocht“
Bistro: Dienstag bis Samstag, mittags und abends