Berlin wächst und wächst. Nicht nur die Zahl der Einwohner steigt stetig, auch der Autoverkehr nimmt zu. Die Kapazität der Straßen stößt an Grenzen. Zu gewissen Stoßzeiten muss man mehr als zwei Stunden einplanen, um die Stadt einmal zu durchqueren. Verlorene Zeit. Auch für uns, wenn wir unser Magazin ausliefern.
Wenn eine neue mein/4-Ausgabe Berlin erreicht, ist es für uns erst einmal ein freudiges Ereignis. Auf 17 Paletten verteilen sich 50.000 Exemplare und wollen so schnell wie möglich ausgeliefert werden. Wir versorgen mehr als 300 große Verteilstellen in der ganzen Stadt. Dazu kommen rund 1.000 kleine Stellen in den verschiedenen Bezirken. Doch diese müssen erst einmal alle erreicht werden. Die Verteilung entwickelt sich zum Problem.
Zwei Punkte sind hier entscheidend: Die Fahrzeit auf völlig überfüllten Straßen und die Parkplatzsuche. Während die großen Verteilstellen über ausreichend Parkplätze vor der Tür verfügen, suchen wir in den kleinen Seitenstraßen der Kieze meistens vergeblich. Was bleibt? Wir parken in zweiter Reihe, gefährden damit Fußgänger, zwingen Radfahrer zum Ausscheren auf die Gegenspur, sorgen für Staus usw. Ehrlich gesagt sind wir also Teil des Problems. Hierfür galt es nun eine Lösung zu finden.
Das Thema Lastenrad wurde immer konkreter, und wir formulierten für uns eine Wunschliste:
• mindestens 200 Kilogramm Traglast
• Ladevolumen für mindestens 600 Magazine
• elektrische Unterstützung
• Mittelmotor
• mindestens 50 Kilometer Reichweite bei voller Ausnutzung der Ladekapazität
Soweit unser Lastenheft. Warum diese Anforderungen? In Berlin beliefern wir alle zwölf Bezirke, in jedem Bezirk durchschnittlich 100 kleine Verteilstellen mit jeweils etwa zwölf Exemplaren. Darunter auch Stellen, die nur mit drei Leseexemplaren beliefert werden. Die maximale Distanz ist rund 20 Kilometer pro Richtung. Schnell wird klar: Ein Lastenrad alleine kann das nicht leisten.
Wir favorisieren zwei unterschiedliche Konzepte: Das einspurige Lastenrad und das zweispurige Lastenrad. Denn mehr als 100–120 Kilo Zuladung pro Rad ist kaum möglich. Das Einsatzgebiet ist unterschiedlich.
Weil das einspurige Rad bei uns die größeren Entfernungen mit höherer Geschwindigkeit zurücklegen soll und durch seine schmale Bauweise eher in der Lage ist, kleinere Lücken zu nutzen, ist es unser Favorit für die Distanz.
Dagegen deckt das zweispurige Lastenbike die kürzeren Entfernungen ab. Hier sind teilweise alle 50 Meter Stopps vonnöten. Auch bei voller Beladung soll es kippsicher sein, und wir brauchen schnellen wie auch bequemen Zugriff auf die Ladung.
Vor dem Kauf ist hier guter Rat teuer. Doch wer berät? Und wo kauft man Räder, die unsere Bedürfnisse erfüllen? Nun herrscht in Berlin an guten Fahrradläden kein Mangel, beim Thema Lastenräder wird das Angebot schon etwas dünner. Die erste Station führt uns nach Pankow in die Florastraße. Hier hat Dan Ehle seit 2013 Jahren sein Geschäft „Pankerad“ mit einem Schwerpunkt auf Lastenrädern. Das Potenzial von Fahrrädern als Transportmittel erkannte er früh: Schon in den Neunzigerjahren konstruierte er selbst Räder dieser Art, lange bevor das Thema Fahrradtransport in den Köpfen hip wurde. Später machte er seine Leidenschaft zum Geschäftsmodell.
Was als kurzer Informationsbesuch geplant war, endet nach zwei Stunden Führung und Erklärung der Vor- und Nachteile einzelner Konzepte. Die kurzen Probefahrten durch Pankow ließen die Gewissheit aufkeimen, einen unserer Favoriten gefunden zu haben. Ein „Long John“ von Riese & Müller sollte es sein, genauer ein „Packster 60“. Dieses Rad bietet uns die richtige Mischung aus Ladefläche, Zuladung und Handlichkeit. Die Flexibilität überzeugt uns.
Auch die Möglichkeit den Aufbau frei zu bestimmen, genau abgestimmt auf unsere Bedürfnisse, die Maße unserer Magazine etc. – die Auswahl ist schier unendlich. Egal ob mit Kindersitzen, fester Klappe oder Softabdeckung: Alles ist möglich. Der Fahrspaß ist beeindruckend, schon nach kurzer Eingewöhnung fährt es sich wie ein normales Fahrrad. Wir beladen das Rad testweise mit 100 Kilo Magazinen. Es zeigt sich völlig unbeeindruckt von dieser Last. Fast läuft es noch stabiler als im nicht beladenen Zustand. Mithilfe des Boschantriebs beschleunigen wir problemlos auf 25 km/h, aber auch 30 km/h und mehr sind mühelos drin. Beeindruckend. Wir wissen: Das wollen wir! Kaufen dürfen wir leider noch nicht: „Testet es bitte erst einmal ausgiebig, denn so eine Entscheidung will gut überlegt sein und muss richtig passen.“ Sehr sympathisch. So verlassen wir Pankow mit unserem Favoriten und parken ihn probehalber auf unserem Innenhof.
Wenn man über zweispurige Lastenräder spricht, kommt man an der holländischen Firma Babboe nicht vorbei. Kaum eine Firma bietet mehr Aufbauten, egal ob für Kitas, Hundebesitzer oder die Familie. Ein großer Partner von Babboe ist hier in Berlin Little John Bikes. Wir trafen in der Filiale am Gesundbrunnen-Center auf Paul. Nachdem wir auch ihm unseren Lastenkatalog vorgestellt haben, kämpfen wir uns durch die reichhaltige Ausstellung. Rauchende Köpfe sind garantiert.
Unser Favorit ist das „Babboe Curve Mountain-E“. Auch hier werden wir zu einer ausgiebigen Testfahrt eingeladen. Ein Angebot, das wir gerne annehmen. Der erste Fahreindruck überrascht und ist ganz anders als wir erwartet haben. Kurvenfahrten sind bauartbedingt völlig anders und wollen geübt werden. Es dauert etwas, bis unser Verständnis wächst und der Fahrspaß einsetzt.
Ob unsere Überlegungen und Planungen nachher praxistauglich sein werden? Wir werden testen und berichten. Eines aber ist sicher: Wenn du dieses Magazin in der Hand hältst, wird es dich mit hoher Wahrscheinlichkeit per Fahrrad erreicht haben. ■
Info
Zweispurige Lastenräder
Lastenräder mit drei Rädern haben den Vorteil, sehr stabil zu stehen und zu fahren. Auch große Lasten bringen sie nicht zum Kippen. Das Beladen ist sehr komfortabel: Große, breite Transportboxen bieten genug Platz für zwei Kindersitze nebeneinander, je nach Zubehör passen auch mehr Kinder hinein. Daher sind sie gerade bei Familien sehr beliebt.
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Einspurige Lastenräder
Lastenräder mit zwei Laufrädern haben ähnliche Fahreigenschaften wie herkömmliche Fahrräder und sind meist ebenso schmal. Mit ihnen kommt man zügig voran, kann auch Engstellen passieren und Kurven wie gewohnt bewältigen. Die Nachteile sind ein unsicherer Stand, bei hoher Beladung und niedrigeren Geschwindigkeiten eine geringere Fahrstabilität sowie schmalere, meist nur lenkerbreite Ladeflächen. Das kann bedeuten, dass in die Transportbox nur ein Kindersitz passt.
Einspurige Lastenräder gibt es in unterschiedlichen Formen: Der Tieflader, oft auch „Long John“ genannt, besitzt eine tiefliegende Ladefläche zwischen Lenksäule und Vorderrad. Der tiefe Schwerpunkt erlaubt hohe Zuladungen bis etwa 100 Kilogramm. Die Länge macht es aber weniger wendig.