Erster Juli, wieder Wochenende, die nächtlichen Rollkoffertouristen auf dem Kopfsteinpflaster sind schon durch, freut man sich auf einen entspannten ruhigen Samstag im Kiez. Zweites Frühstück in der Sonne und noch Einkäufe erledigen. Oder ruckzuck paar Sachen ins Auto und ab zum See. Oder doch nicht?
Straße abgesperrt, temporäre Parkverbotsschilder (standen die da neulich schon, und wo ist eigentlich mein Auto?). Und dumpfes Gewummer hinterm nächsten Block. Das verheisst nichts Gutes. Nachdem zwei Wochen zuvor schon Menschenmassen bei der Fête de la Musique den Mauerpark überfielen, braut sich hier erneut etwas zusammen. Ein Konvoi Generator- und Soundsystem bestückter LKWs, umringt von Scharen im Gleichklang zuckender Gestalten, krakt sich seinen Weg vom Park ostwärts durch den Prenzlauer Berg.

Aber alles halb so schlimm, denn hier geht es um… die Liebe. Namentlich den “Zug der Liebe”; seit 2015 macht sich der Techno-Umzug nun zum dritten Mal auf den Weg, um lautstark für mehr Liebe und soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren. In den beiden Vorjahren fand das Event in Mitte/Friedrichshain statt, nun also vor unserer Haustür. Warum auch nicht, von grossflächigen Blockaden bleibt man ja hier meist unbehelligt, von der genannten Fête de la Musique, den Ausläufern des Marathons und gelegentlichen Restaurantbesuchen hochkarätiger Auslandspolitiker mal abgesehen. Nein, die ewigen Baustellen lassen wir mal aussen vor. Unterstützenswert sicherlich auch das Motto des Treks, welcher dieses Jahr für die Presse- und Meinungsfreiheit durch die Straßen zieht. Ob das den mehreren tausend Teilnehmern ein wirkliches Anliegen ist, oder diese einfach nur feiern wollen, sei mal dahingestellt.

Das ist aber auch nicht von Belang, nur die Message zählt, und keinem sei es verboten das Ganze auf die Freude am Tanzen zu reduzieren. Um so mehr als die vorherigen Züge nicht nur laut und bunt, sondern auch durchweg friedlich vonstatten gingen. Und der politische Aspekt ist den Veranstaltern durchaus wichtig, man legt Wert auf die Einordnung als Demonstration, als welche das ganze auch angemeldet ist.

…das Thema ist hochrelevant seit all den Putins, Erdogans und Trumps. Aber auch wir prügeln uns auf Facebook verbal die Köpfe ein, Populisten bestimmen die News, Identitäre klettern auf unser Tor… Auf der Straße zeigen wir, wo echte Mehrheiten sind.

So steht es auf der Webseite der Initiatoren, dem Zug der Liebe e.V., einem Verbund von Veranstaltern, Clubbetreibern und Djs. Zur Teilnahme konnten sich Initiativen, Vereine und Projekte bewerben, mit dabei sind die Berliner Obdachlosenhilfe e.V., die Berliner Tafel e.V., Hydra e.V. und der BUND Jugend, um nur einige zu nennen. Plus 10.000 bunt glitzernder Mitläufer bzw. Tänzer, so zumindest die geschätzte Teilnehmerzahl des Vorjahres. Vorgesehen sind Reden am Start und Endpunkt des Zuges, um den Vereinssprechern Raum für ihre Anliegen zu geben.

Neuauflage der Loveparade, so titelten die Kommentare teils hämisch beim Start des Projektes vor zwei Jahren. Tatsächlich ist die Mutter des Raver-Karnevals der erste Gedanke, wenn es um einen Techno-Umzug geht. Statt “Friede, Freude, Eierkuchen” jetzt eben Liebe und Toleranz, ansonsten ein Remake?
Das hören die Veranstalter allerdings nicht so gerne. Wir sprachen darüber mit Jens Schwan, einem der Initiatoren des Projektes:

– Ist der Zug der Liebe eine Demo oder eine kommerzielle Veranstaltung. Und wer räumt hinter euch auf?

Das ist ganz klar eine Demo. Dabei ist Musik als Mittel zum Zweck gedacht, denn es sollen möglichst viele Menschen erreicht werden. Zudem wird in Berlin das Element Musik oft genutzt. (Fuck Parade, Mediaspree, CSD, Karneval der Kulturen, Fete de la Musique). Auf der Demonstration herrscht absolutes Werbe- und Sponsoren Verbot, es werden keine Getränke, oder sonstige Merchandising Artikel verkauft. Hinter uns räumt die BSR auf, die laut Eigenaussage, auch an diesem Tag gern mal zeigt, was sie drauf hat.

– Die Loveparade, in Berlin entstanden und gewachsen, hat mit der Katastrophe in Duisburg Unschuld und Existenz verloren. Obschon ein ganz anderer Maßstab, aber wie sieht es beim Zug der Liebe mit Sicherheitsvorkehrungen aus?

Es gab 2015 ein paar Irritationen bezüglich einer neue Love Parade. Die Demonstration hat nichts mit der Love Parade zu tun. Weder sind Menschen aus dem Umfeld der Parade im Team tätig, noch stellen die Organisatoren selbst Zusammenhänge her. Die Ursprünge der Love Parade und das, was Dr. Motte gemacht hat, waren ja auch gut. Nur wurde das später ein Spektakel und die Siegessäule zu einer einzigen Werbefläche. Wir wollen keine Sponsoren, bei uns nehmen Clubs und Veranstalter teil, die die Wagen selbst bezahlen. Jeder muss sich mit einem politischen Thema bewerben, und wir ziehen auch nicht um die Siegessäule.

Sicherheit ist enorm wichtig. Darum müssen laut Versammlungsrecht für je zwei “Ordner” pro Achse beiderseits des Wagens, sowie einen “Frontmann” vor dem Wagen, sorgen. Zusätzlich hierzu muss jeder Wagen einen „Springerordner“ stellen, der die Kommunikation zur Demoleitung aufrecht erhält, bzw. der Demoleitung als Hand zur Seite steht. Unterm Strich muss jeder Wagen also 7 Personen stellen: 5 Ordner, einen Fahrer und einen Wagenverantwortlichen. Wir haben pro Wagen sogar 20 Ordner!

– Wie wird ein solches Event eigentlich finanziert. Djs, Werbung, Fahrzeuge, von der ganzen Orga ganz zu schweigen?

Alles ist eigenfinanziert und ein bisschen kommt durch Spenden. Dazu noch die Hoffnung, dass die Afterparty es irgendwie alles refinanziert. Alle Arbeit bei uns ist ehrenamtlich.

– Wer entscheidet über die Routenführung, entsteht das aus eigenen Vorstellungen oder wird das behördlich festgelegt?

Das entsteht natürlich zuerst bei uns, aber da gibt es Kooperationsgespräche mit der Polizei, und wenn es Bedenken gibt, haben wir uns bisher immer danach gerichtet.

– Der Zug ist zweifelsohne eine Technoveranstaltung, oder? Bewerben sich auch Teilnehmer anderer Stilrichtungen, bzw. würde auch ein Schlager-Lkw angenommen?

Schlager nicht unbedingt, aber wir haben Reggae dabei 🙂

Los geht’s um 13:00 Uhr am Mauerpark, die Route führt dann über die Danziger Straße via Schönhauser (ca. 14:30 Uhr) und Prenzlauer (ca. 15:00 Uhr) zur Landsberger Allee. Endpunkt ist die Stralauer Allee/Markgrafendamm gegen 20:30 Uhr.

Mehr Infos unter:
www.zugderliebe.org