„Kurz und knapp“ ist eine Interview-Serie des Berliner Fotografen Jens Wazel.
Kurz und knapp … wer bist du?
Ich bin Frau, Schauspielerin und Musikerin.
Was kam zuerst?
Ich bin in Brandenburg an der Havel aufgewachsen, da gab es eine tolle Opernsängerin, die ich als 13-Jährige überredet habe, mir Gesangsunterricht zu geben. Das Geld dafür habe ich mir vor allem mit Schrottsammeln verdient, und meine Eltern haben mir ein Klavier geschenkt. Später habe ich Punkmusik gemacht, und nachdem ich mit 17 in den Westen abgehauen war, habe ich am Gymnasium eine Schülerband gegründet. Dann habe ich aber Schauspiel studiert und mich erst einmal darauf konzentriert.
Kino oder Fernsehen?
Beides.
Gibt es Stoffe oder Figuren, die dich besonders reizen?
Die kleinen Geschichten von nebenan interessieren mich, wie in einen ganz normalen Tag der Wahnsinn einzieht. Ich spiele ja seit zehn Jahren die Kommissarin in der Filmreihe Helen Dorn. Krimis faszinieren mich. Aber ich freue mich generell über jede Aufgabe, die eine Herausforderung ist.
Dann kam die Musik zurück …
2006 habe ich in der Musicalinszenierung von Cabaret in der Bar Jeder Vernunft die Sally Bowles gespielt, zu meiner letzten Vorstellung kamen die Musiker von Silly und haben mich gefragt, ob ich bei ihnen einsteigen will. Sie haben mir bei unserer ersten Probe die Texte in die Hand gedrückt und ich habe gesagt: „Das kann ich alles auswendig.“ – Ich war ja als junges Mädchen ein großer Fan und hatte ihre Songs rauf und runter gehört. Ich bin vier Jahre mit Silly live getourt und danach habe ich gesagt: „Kommt, lasst uns ein Album machen“ – Daraus wurde dann Alles Rot.
Wie war es, in die Fußstapfen von Tamara Danz zu treten?
Ich habe nicht darüber nachgedacht, es hat sich einfach gut angefühlt, weil das meine Kindheit und Jugend war. Alle haben gesagt „Was für ein Erbe“, und dann habe ich irgendwann auch gedacht, wie krass es ist. Aber es waren auch schon zehn Jahre seit Tamaras Tod vergangen, es gab keine Staffelstab-Übergabe, es gab eher ein Aufwachen der Band aus einem Dornröschenschlaf.
Wie lange ging das?
Bis 2018. 13 Jahre und drei Alben.
Und dann?
Nach unserem dritten Album wollte ich weitermachen mit dem kreativen Arbeiten und auch einmal kompromisslos meine Sachen verfolgen. Ich hatte eine Menge Ideen gesammelt und wollte Songs schreiben. Ich habe der Band vorgeschlagen, ein Soloalbum zu machen und weiter zusammen live zu spielen. Sie wollten kein neues Album beginnen – Mein Vorschlag kam nicht gut an, und dann haben wir unsere Zusammenarbeit beendet.
Du hast 2019 dein erstes Soloalbum veröffentlicht …
Ja Werkzeugkasten, und am 2. Juni kommt mein zweites Album Das Leben ist schön. Das habe ich wieder mit meinem Freund und Produzenten Mic Schröder in seinem Studio in Weißensee aufgenommen.
Das Album klingt sehr kraftvoll …
Ich bin kraftvoll. Meine Familie hat mich immer „Duracell-Häschen“ genannt.
Was ist es für Musik?
Es ist Deutschpop, aber der eine oder andere Song ist ein bisschen mehr Rock und es gibt eine Nummer, die erinnert an meine Punk-Zeit. Ich habe mich bei diesem Album mehr getraut das rauszulassen.
Sind die Texte autobiografisch?
Das Spannende am Musikmachen ist für mich, dass man Geschichten erzählen kann, die man dadurch einerseits selbst verarbeitet – eine Art Selbsttherapie – und die man andererseits aber so komprimiert in einen Songtext und eine Melodie verpacken kann, dass sie mitten ins Herz gehen und die Leute, die das dann hören, dort abholen, wo ihre eigenen Geschichten für dieses Gefühl liegen.
Wenn ich eine Geschichte aufgeschrieben habe, dann schreibe ich sie aus allen möglichen Perspektiven auf: Ich schreibe aus meiner Sicht, aus deiner Sicht, aus der Sicht von jemandem, der uns beide anguckt usw. Danach merke ich, auch bei schweren Themen, dass ich mich auf einmal leichter fühle. Zwei der Texte auf dem neuen Album habe ich mit anderen Künstlerinnen geschrieben, der Rest ist von mir. Bei der Musik habe ich manchmal eine Idee für ein Thema, dann setze ich mich ans Klavier, nehme es auf und gehe damit zu meinem Gitarristen, dem Pianisten oder zu Mic Schröder, und dann treffen wir uns im Studio. Songwriting ist immer eine spannende Reise.
„Das Leben ist schön“ … immer?
Es ist nicht so, dass man sich den ganzen Tag durch rosarote Zuckerwatte frisst und am Ende mit einem wohligen Grinsen satt auf einer Hängematte liegt. Alles andere gehört eben auch dazu. Es gab auch eine Zeit in meinem Leben, wo ich dachte: „Warum ich? Warum kann es nicht jemand anderen treffen?“ Aber ich bin mit 52 Jahren jetzt an einem Punkt angekommen, an dem ich sage: „Hallo du Stein, warum liegst du auf meinem Weg? Was will mir mein Leben damit zeigen, welche Lektion soll ich an dir lernen?“
Ich sehe Probleme mittlerweile eher als Herausforderung und habe keine Angst mehr, einen Weg, den ich mal geplant hatte, zu verlassen. Eine Richtungsänderung ist für mich meistens interessant und bringt mich nie in eine Sackgasse. Probleme haben in meinem Leben immer dazu geführt, dass ich mich weiterentwickelt habe. Deshalb habe ich keine Angst mehr davor.
Ich habe viele Freunde in meinem Alter, die sich fragen, ob sie alles hinwerfen und nochmal etwas ganz anderes machen sollen, und ich sage dann immer: „Mach es!“ Das Alltagsrad rollt langsam, aber es rollt immer vorwärts, und man muss sich manchmal einfach trauen. Mit 50 hat man extrem viel Power, und das ist ein guter Zeitpunkt zu sagen: „Ich hatte immer diesen Traum, vielleicht probiere ich das jetzt einfach mal.“
Das klingt sehr optimistisch.
Ich habe als Kind mit den Jungs Fußball gespielt, hatte immer kaputte Knie oder einen aufgeschlagenen Kopf, und habe erst gelacht, bis ich gemerkt habe: „Mist, tut doch weh!“ Meine Mutter hat dann einmal zu mir gesagt: „Du bist ein Positivist.“ Ich bin fein damit, dass auch die dunklen Stunden zu meinem Leben gehören, weil ich die Gewissheit habe, dass die Sonne immer wieder herauskommt. Traurigkeit und Glück, Tränen und Lachen, das eine würde ohne das andere an Kraft verlieren.
Für mich ist das Leben so, wie es ist schön. Das wollte ich auch auf dem Album rüberbringen: Auch bei den traurigen Geschichten versuche ich sie so aufzustellen, dass man am Ende denkt: „Ja, das ist traurig und doof, aber irgendwie wird das wieder.“
Der Titelsong ist deinem Mann Jan Josef Liefers gewidmet?
Ja, den habe ich für ihn geschrieben, nächstes Jahr sind wir 20 Jahre verheiratet. Ich habe einen tollen Freundeskreis, zu dem ich eine starke Verbindung habe, aber zu meinem Mann und unseren zwei Kindern habe ich das stärkste Band. Natürlich gibt es in einer Partnerschaft nicht immer nur rosarot Sonnenschein, das ist bei uns auch nicht anders.
Drehst du auch zusammen mit deinem Mann?
Wir haben uns ja bei Dreharbeiten kennengelernt, und mittlerweile haben wir schon acht oder neun Filme zusammen gedreht, das macht viel Spaß. Wir sind jetzt auch seit zwei Jahren dabei, eine Serie zu entwickeln, einen tollen Achtteiler, der mit der DDR und auch mit Musik zu tun haben wird.
Wie balancierst du die Musik mit dem Schauspielen?
Ich finde es toll, dass ich beides habe, weil diese zwei Welten schon verschieden sind, und wenn der Druck in der einen Welt groß wird, kann ich in die andere Welt schauen und kurz Luft holen. Ich bin eine fleißige Arbeiterin, aber ich nehme mich und die Probleme nicht mehr so ernst. Ich finde es nicht mehr so schlimm, wenn es mal nicht funktioniert und riskiere gern etwas.
Bist du lieber im Studio oder auf der Bühne?
Das Schönste ist, wenn man die Musik mit den Leuten erleben kann, wenn man live sieht, was welcher Song mit ihnen macht. Bei der Tour zum ersten Album war alles aus einem Guss und geil, aber trotzdem will ich dieses Mal eine noch stärkere Welt kreieren, will eine Reise mit den Leuten machen. Ich will, dass die Leute aus dem Konzert gehen und sagen: „Krass, geil!“
Dein Mann macht auch Musik …
Ja, mit Leidenschaft. Wir machen Hausmusik, und manchmal gehen wir auf eine Party und spielen Johnny Cash und seine Frau, oder irgend so etwas Lustiges. Wir machen jetzt auch zusammen Lesungen von einem Hörspiel über ein Paar in unserem Alter.
Wie trennt ihr Job und Privates?
Das ist bei uns eher fließend. Unser Job ist eine Leidenschaft, und auch wenn wir ein Projekt nicht zusammen machen, schauen wir uns die Drehbücher an und überlegen gemeinsam. Wir haben aber auch ein natürliches „Jetzt ist mal gut mit Job“.
Wo wohnt ihr?
Wir wohnen im nicht so aufregenden Teil von Steglitz – richtig normales Berlin. Ich finde es schön, da zu wohnen, wo nicht ständig irgendein Tourist langläuft.
Was macht ihr in eurer Freizeit?
Wir haben drei Hunde, fahren Fahrrad und reisen gern. Wir sind keine Strandurlauber, wir müssen immer irgendetwas unternehmen.
Was steht dieses Jahr noch an?
Ich habe dieses Jahr schon zwei Filme gedreht und jetzt bringe ich mein Album heraus. Im Herbst werde ich dann touren, das muss vorbereitet und geprobt werden, und dann brauchen wir auch Zeit für unser Serienprojekt. Aber den Sommer habe ich mir freigenommen, da mache ich Urlaub mit meinen Kindern!
Vielen Dank!
Anna Loos
Anna Loos ist Schauspielerin und Musikerin. Sie ist in vielen Fernseh- und Filmproduktionen zu sehen und war 13 Jahre lang Sängerin von Silly. Im Juni 2023 erschien ihr zweites Soloalbum Das Leben ist schön. Anna lebt in Berlin mit ihrem Ehemann Jan Josef Liefers und ihren zwei Töchtern.
Tourdaten
15.09.23 Hamburg, Fabrik
16.09.23 Leipzig, Haus Leipzig
17.09.23 Bad Elster, König Albert Theater
19.09.23 Berlin, Columbia Theater
21.09.23 Erfurt, Alte Oper
22.09.23 Köln, Kantine
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Jens Wazel
ist Fotograf und Videofilmer. Im Osten aufgewachsen, wohnt er nach 25 Jahren in den USA wieder in Berlin.